Einleitung
Anthropologie ist die Lehre vom Menschen, seinen Erscheinungs- und
Kulturformen in ihrem jeweiligen Verbreitungsgebiet, von den
Ursprüngen bis in die Jetztzeit. Da alles, was mit dem Menschen in
irgendeiner Form zu tun hat, in lebhaftem Fluß und in Bewegung ist,
also niemals etwas Statisches, ist Anthropologie stets auch ein
Stück Geschichte, ohne deren Kenntnis das Gegenwärtige nicht
verstanden werden kann. In kaum einer anderen Wissenschaft gibt es
so wenig Licht im Dunkel wie gerade in dieser Disziplin. Das liegt
einerseits in der Natur alles Seienden, welches seine Spuren mit der
Zeit verwischt, andererseits an den Unordnungs- und
Zufallsprinzipien, die für alles Belebte wie Unbelebte gleichermaßen
gelten. Wie die Vorgeschichte und Archäologie ist auch die
Anthropologie auf Funde angewiesen, um sich ihr Bild von der
Vergangenheit zurechtlegen zu können. Je weiter man in der
Vergangenheit zurückgeht, desto spärlicher sind naturgemäß die
Überreste, und das wenige Bruchstückhafte muß ausreichen, um
Steinchen für Steinchen des Mosaiks zu einem anschaulichen Ganzen
zusammenzusetzen. Dies wird insbesondere erschwert durch die
Ungenauigkeit der Altersbestimmung, die so manchem Trugschluß
unterliegt. Hinzu kommen die unsteten Wanderbewegungen unserer
Vorfahren, die alles andere als seßhaft waren und nicht an einem
Orte blieben, sondern den Herden
folgten, die sie, um zu überleben, bejagen mußten. Stärkere Jäger
folgten schwächeren und drängten diese in die entlegensten Isolate
ab, wo sie räumlich getrennt eine eigenständige Entwicklung
durchliefen und genetisch nur das mitnahmen, was sie bis dahin
besaßen. Dennoch muß es wohl unvermeidbar gewesen sein, daß trotz der trennenden Schranken, welche die Natur errichtete: Wälder,
Gebirge, Wüsten und Wasserflächen, sich einzelne Gruppen immer wieder
berührten und genetisch miteinander austauschten. Sowohl sprachliche
als auch genetische Verwandtschaft belegen dies. Gruppen, die sich
bereits einmal getrennt hatten, kamen auf eine Weise, die diese
Grenzen überwanden, wieder zusammen. Unruhezentren lösten ganze
Völkerwanderungen aus, Bezwinger vermischten sich mit Unterworfenen.
Nur so ist die bunte Vielfalt zu erklären, die gegenwärtig unseren
Planeten bestimmt, ein Prozeß des Wandels durch Vermischung, der
immer noch anhält und auch nicht so schnell abebben wird, sofern der
Faktor Mobilität seinen Einfluß weiterhin beibehält. Flugzeuge,
Schiffe, Brücken, Straßen und Eisenbahnen verbinden heute selbst
Menschen verschiedener Erdteile in Kürze, ähnlich wie wegfallende
Grenzen, Handelsschranken und das weltweite Telekommunikationsnetz
den Austausch erleichtern.
Dies war indes nicht immer so. Lange Phasen der anthropogenen
Entwicklung verharrte eine relativ bevölkerungsarme Menschheit in
geographischer Isolation, Phasen der Stagnation ließen auf den
verschiedenen Erdteilen Menschen gleicher Prägung entstehen, die
dennoch alle gemeinsamen Ursprungs sind. Ihr genetischer Abstand zum
Herkunftsland Südostasien vergrößerte sich zunehmend, genetische
Drift und Gründereffekte bewirkten ein ihriges und schufen eine noch
größere Varietät. Alle diese Gruppen nahmen etwas von dem mit, was
sie an Genen zuhause zurückgelassen hatten, aber auch Mutationen,
die erst später im Isolat auftraten, kamen hinzu und verliehen ein
eigenes genetisches Kolorit. Wir kennen die Ausbreitungsgeschichte
der Menschheit nur ungenügend, da unsere schriftlichen
Aufzeichnungen nicht weit genug zurückreichen. Über kulturelle
Einflüsse lassen sich keine eindeutigen genetischen Zuordnungen
treffen, weil vieles von anderen übernommen wurde, dessen Herkunft
sich nachträglich nicht mehr sicher zurückverfolgen läßt. Vieles von
dem, was früher unklar war, gilt heute als gesichert. Gerade die
Fortschritte in den genetischen Wissenschaften eröffnen der
Rassensystematik gänzlich neue Perspektiven. Es ist möglich, wenn
auch noch lange nicht geleistet, die DNA des Neandertalers zu
dechiffrieren. Ob dadurch aber die drängende Frage seines
Aussterbens aufzuklären ist, muß vorerst noch offen bleiben.
Bei all der Aufbruchstimmung, die heute in der Anthropologie
herrscht, sind dennoch einige Strömungen hinderlich, legen sich wie
ein enges Korsett um den Körper der Wissenschaft, um ihr die Luft
abzuschnüren. Das Heikle daran setzt dort ein, wo Forscher sich
daranmachen, Menschen anhand von Merkmalen zu klassifizieren. Einige
Wissenschaftler lehnen es sogar ab, so zu verfahren, was bisweilen
dazu geführt hat, daß der Rassenbegriff gänzlich in Frage gestellt
wurde. Aufgrund der jüngeren Vergangenheit mit ihren negativen
Folgen lehnen einige die Unterscheidung nach Rassen rundheraus ab
und wollen den Begriff durch menschenwürdigere Vergleiche ersetzen.
In einem Zuge werden die Erkenntnisse ganzer
Anthropologengenerationen über den Haufen geworfen, um wieder bei
Adam und Eva zu beginnen. Forscher wie Luigi Luca
Cavalli-Sforza beispielsweise wollen die Rasseneinteilung durch
den sogenannten genetischen Abstand ersetzt wissen, immer mit dem
Argument im Hinterkopf, daß es bis dato keinen einzigen
stichhaltigen Vorschlag gibt, wie die Grenzen zwischen den einzelnen
Rassen zu ziehen sind. Es wurde zutreffend erkannt, daß alle bisher
untersuchten Merkmale, hauptsächlich die Blutgruppensysteme, mehr
oder minder stark überlappen und niemand sich berufen fühlen kann,
hierbei einen willkürlichen Trennungsstrich zu ziehen. Darin liegt
gewiß einige Berechtigung, es zeugt aber auch von einer gewissen
Hilflosigkeit, sich gegen alle äußeren Vorbehalte geeignet zur Wehr
zu setzen.
Die Gruppe der Anthropologen ist mutlos geworden, sich zu einer
gemeinsamen Überzeugung durchzuringen, weil sie ständig mit Waffen
geschlagen wird, die ihr eigentlich zuwider sein müßten, nämlich der
mathematischen Logik. Anhand von ein paar lausigen Blutgenen soll
über die Gleichheit sämtlicher Rassen entschieden werden? Anstatt
sich auf die Gene zu konzentrieren, die für Größe, Kraft und
Charakter verantwortlich sind, wird über Körpergrundfunktionen
spekuliert, die bei allen Menschen gleich ablaufen. Sobald also
einer hergeht, einen Zusammenhang zwischen einem Blutgruppensystem
und einer Rasse herzustellen, zeigt ihm ein anderer seine Schranken
auf, indem er ihm entgegenhält, daß dieses Merkmal bei anderen
Rassen ebenfalls vorhanden sei, wenngleich in unterschiedlichen
Frequenzen. Da wird von den Rassengegnern gerne argumentiert, daß
der Unterschied lediglich darin begründet sei, daß gewisse
Krankheiten, Seuchen wie die Pocken oder die Pest, eine höhere Quote
an Opfern bei bestimmten Blutgruppen gefordert haben, die dafür
eine höhere Sterblichkeit aufweisen. Der Tenor dieser unsachgemäßen
Betrachtungen ist, daß es eine natürliche Erklärung für die etwas
anderen Verteilungen gebe, die aber ansonsten keine wirklichen
Unterschiede seien, denn schließlich seien alle Allele bei allen
Rassen gleichermaßen zu finden, nur eben in anderen Frequenzen.
Indirekt wird damit behauptet, daß ein Chinese, der die Blutgruppe A
besitzt, in nichts von einem Europäer derselben Blutgruppe zu
unterscheiden sei und es deshalb keinen Unterschied zwischen
Europäern und Chinesen gebe. Da staunt selbst der Laie, der ja den
Unterschied schon mit bloßem Auge sieht und einen Mongoliden von
einem Europiden klar zu trennen vermag. Hier argumentieren nun die
zeitgenössischen Anthropologen, es handele sich bei den sichtbaren
Unterschieden wie etwa der Haut- oder Haarfarbe nur um
Äußerlichkeiten, die allenfalls von untergeordneter Bedeutung seien.
Soweit ist es nun mit unseren Wissenschaftlern gekommen, daß sie um
des lieben Friedens willen auf die mathematische Logik des
Widerspruchsbeweises verfallen und Dinge einräumen, von denen sie
selbst nicht überzeugt sind und die schon dem Mann auf der Straße
auffallen.
Zweifellos handelt es sich beim Homo sapiens um eine eigene
Art, und diese ist dadurch charakterisiert, daß Artgenossen sich
beliebig untereinander kreuzen können, Binsenweisheiten, die zu
hinterfragen eines Anthropologen unwürdig sind. Dabei geht es längst
nicht mehr um die Fragestellung, ob Schwarze oder Weiße eigene Arten
sind, denn dies ist längst geklärt, es geht vielmehr um die Frage,
warum Rassenangehörige sich untereinander ähnlicher sind als
Rassenfremde. Wenn nun etwa ein ganz Scharfsinniger meint, er habe
in beiden Rassen je ein Mitglied gefunden, welches die gleiche
Blutgruppe aufweise, und dann die Schlußfolgerung zieht, er habe den
Rassenbegriff damit widerlegt, dann irrt er grundsätzlich. Der
Fehler, der bei dieser Argumentation häufig begangen wird, ist, daß
verkannt wird, daß in der Natur ganz andere Gesetzmäßigkeiten gelten
als in der mathematischen Logik. Spätestens seit den Erkenntnissen
der Quantenmechanik ist klar, daß Ort und Impuls eines Teilchens
nicht gleichzeitig exakt bestimmt werden können, was einzusehen
unserer klassischen Denkweise zugegebenermaßen etwas schwerfällt.
Die gleiche Unschärfe haftet natürlich auch den menschlichen Genen
an: Wenn ein Merkmal zutreffend ist, läßt ein anderes der Zufall
offen. Menschen gleicher Rasse müssen nicht in allen ihren Merkmalen
gleich sein. Mutationen, die auf molekularen Zufällen basieren,
gelangen in Populationen, indem sie sich beimischen und durch
Weitergabe vermehren. Man kann nicht erwarten, daß bei Billionen von
Kombinationsmöglichkeiten sich auch nur zwei gleichen, außer bei
eineiigen Zwillingen. Somit müssen auch bei einem
Klassifizierungsversuch mehr als nur ein oder zwei Merkmale unter
die Lupe genommen werden, um Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede
feststellen zu können. Ausreißer bezüglich eines Merkmals können
daher noch keinen Gegenbeweis dafür liefern, daß die beiden Individuen,
wenn sie sonst in allen Merkmalen übereinstimmen,
sich nicht doch ähnlicher sind als zwei Angehörige unterschiedlicher
Populationen.
Natürlich werden die Eckdaten dieses Vergleichs sowohl die eine wie
die andere Klassifizierung erfüllen, doch nicht in gleichem Maße,
weil die
Schätzwerte über die Gesamtheit der zu vergleichenden Merkmale in beiden Populationen
sich gegenseitig ausschließen, auch wenn die Unsicherheiten sich überlappen
mögen. Es liegt ausschließlich an den handwerklichen
Fähigkeiten unserer Anthropologen, ob sie sich in der Lage zeigen,
neben den zweifelsfrei vorhandenen Gemeinsamkeiten auch die
Unterschiede herauszuarbeiten.
Der Mensch zählt unstreitig zu den bastardisierenden Arten, d.h. es
ist möglich, verschiedene seiner Eigenschaften durch Züchtung zu
vervollkommnen und umgekehrt nachteilige Eigenschaften zu beseitigen.
Den besten Vergleich liefern dazu die Hundezüchter, denen es
gelungen ist, zahlreiche Rassen herauszubilden, sie in Reinform zu
erhalten oder gegenüber der Wildform zu veredeln. Wie jeder Waidmann
weiß, sind Hunderassen für verschiedene Aufgaben gezüchtet worden:
da gibt es den Spürhund, den Stöberhund und den aufgrund seiner
Kurzbeinigkeit ideal für die Baujagd geeigneten Dackel. Aber auch
den gefürchteten Kampfhund konnte man durch Zuchtauswahl
hervorbringen. Alle diese Hunderassen unterscheiden sich nur in
Äußerlichkeiten, in der Farbe und Konsistenz des Fells, in der
Beinlänge, der Ausdauer und im Geruchssinn. Alle diese
„Promenadenmischungen“ kann man untereinander wieder kreuzen oder
aber noch merkwürdigere Formen hervorbringen, allerdings immer mit
dem Nachteil, daß die ursprünglichen Eigenschaften, derentwegen sie
gezüchtet wurden, wieder verlorengehen.
Ähnlich verhält es sich mit Menschenrassen, bei denen kein
Geringerer Zuchtmeister war als die Natur selbst. Menschen in einer
verschiedenen Umwelt und unter verschiedenen Lebensumständen wurden
von der Natur selektiv unterschiedlich behandelt: Der verstärkt der
Sonne Ausgesetzte bildete eine dunkle Hautfarbe aus, der sich nicht
von Milchprodukten Ernährende mußte mit einem geringeren Körperwuchs
vorlieb nehmen, der für das Überleben in der Kälte Vorgesehene
entwickelte Fähigkeiten, um unter extremen Bedingungen überleben zu
können, was nebenbei noch seiner Gehirnentwicklung förderlich war.
Diese schon früh erkannten selektiven Vorteile werden von einigen
Anthropologen nunmehr bestritten, offenbar aus Mangel an Anschauung,
da jede der heute
lebenden Erscheinungsformen des Menschen die leichteren, ohne
besondere Geschicklichkeit oder Körperkraft zu vollbringenden
Aufgaben einer durch zahlreiche künstliche Hilfsmittel unterstützten
Welt gleich gut erfüllen kann. Die so Denkenden übersehen freilich,
daß ganze Eingeborenenvölker durch die zwangsweisen
Eingliederungsversuche in unsere moderne Gesellschaft zugrunde
gehen, weil sie mit den plötzlichen Umstrukturierungen nicht Schritt
halten können, entweder in Depressionen verfallen oder sich den neu
geschaffenen Anforderungen durch Trunksucht zu entziehen versuchen.
Welche Weltfremdheit müssen Anthropologen haben, die nicht
mitbekommen, wie die australischen Ureinwohner, die Eskimos und
gewisse Indianerstämme vor unseren Augen dahinsiechen. Vor diesem
Hintergrund verschließen Anthropologen vielfach die Augen, stellen
sich dumm oder haben keine Erklärung dafür, warum trotz angeblich
„gleicher“ Gene die Reaktionen auf die Umwelt doch unterschiedlich
ausfallen. Die Schuld der Zivilisation soll nun vor dem Hintergrund
der Propagierung einer absoluten Gleichheit getilgt werden. Das kann
indes nicht gelingen, solange es noch Menschen gibt, welche dieses
Hirngespinst zu durchschauen vermögen und die These von der
Einheitsrasse nicht unterstützen.
Anderen Völkern wiederum ist die Anpassung sehr gut geglückt,
beispielsweise den Japanern, Chinesen sowie auch einigen ehemaligen
Nomadenvölkern oder Negerstämmen. Diese haben sich als geschickte
Kulturfolger erwiesen, sind anpassungs- und aufnahmefähig, solange
sie eine Anleitung bekommen. Wehe aber! wenn diese ausbleibt, dann
würden wir bei vielen, für die die Zeit gewissermaßen noch nicht
reif ist, einen Atavismus, einen Rückfall in die vorkulturelle
Phase, erleben. Es wird auch häufig übersehen, daß viele
Eingeborenenvölker, speziell in Süd- oder Mittelamerika, den größten
Mestizenländern, durch Vermischung mit Weißen „veredelt“ wurden, was
die indigene Bevölkerung dort gewissermaßen vor dem Untergang
bewahrt hat. Ähnlich sind die meisten der ehemals nordamerikanischen
Schwarzen inzwischen Mulatten geworden. Aufgabe der Anthropologie
muß es daher sein, sich von den Ängsten, denen sie ausgesetzt ist,
zuerst zu befreien, um ihre Thesen vorurteilsfrei und ohne äußere
Zwänge noch einmal zu überprüfen. Der Rassenansatz für
Forschungszwecke ist im Grunde kein schlechter, doch muß bereits
erworbenes Wissen wieder aufgegriffen und in einem besseren Licht
dargestellt werden. So sehr uns die Blutgruppensysteme hierfür einen
Anhaltspunkt liefern, mehr als einen Gehversuch, mit ihrer Hilfe
eine Rassenbestimmung vorzunehmen, werden sie nicht leisten können,
denn auch wenn Blut ein «ganz besonderer Saft» ist, so ist das doch
nicht alles, was ein Individuum ausmacht. Doch selbst bei
Beschränkung auf die Blutgruppensysteme sollte es möglich sein, und
zwar unter Einbeziehung anderer systematischer Untersuchungen wie
linguistischer Verwandtschaft etc., die ursprünglichen Rassen zu
rekonstruieren.
Bei der Durchsicht der Genhäufigkeiten fällt auf, daß gewisse
Haplotypen bei einigen Rassen völlig fehlen oder nur in derart
verschwindend geringen Anteilen vorkommen, daß eher auf eine
Unregelmäßigkeit bei der Datenerfassung geschlossen werden kann, als
daß sich ihr Vorhandensein anderweitig erklären ließe. Bei den
australischen Ureinwohnern zum Beispiel fehlen die Haplotypen MNS*Ms
und MNS*Ns völlig. Vergleicht man nun diese Systeme mit der
Häufigkeit anderer Populationen, so stellt man fest, daß fast alle
im benachbarten Neu-Guinea ebenfalls sehr selten sind, was auf eine
engere Verwandtschaft zu diesen schließen läßt als beispielsweise zu
einem Mitteleuropäer, der sich in den allermeisten Eigenschaften
schon wesentlich deutlicher von seinen Nachbarn unterscheidet. Einen
hundertprozentigen Unterschied wird man aber niemals finden können,
da Europa ein Schmelztiegel vieler Völker war, die ihre Merkmale
hier zusammengetragen haben, während im isolierten Australien ein
genetischer Austausch nicht zustande kommen konnte. Des weiteren
beobachtet man, daß die nach Australien eingewanderten Ureinwohner
schon eine Reihe von Genen mitgebracht haben, die demnach schon
vorher vorhanden gewesen sein müssen, wenn auch nur in geringer
Häufigkeit. Je weiter also eine Population von Südostasien entfernt
ist und je isolierter ihr Rückzugsgebiet gegenüber anderen war, in
desto größerer Reinheit wird man ihre genetischen Muster
wiedererkennen.
Es kann, wie wir das in Ozeanien beobachten, der Fall sein, daß rein
zufällig ein bestimmtes Allel im Genpool nicht vorhanden war, auch
wenn dieses in der nächsten Nachbarschaft dennoch recht häufig zu
finden ist. Ein solches Beispiel bietet das Allel MNS*Ns des
MNSs-Blutgruppensystems, welches in Australien gar nicht vorkommt,
in Neu-Guinea aber mit nahezu 80 % sehr häufig ist. Dies kann
entweder wie oben erklärt werden oder aber die genetische
Information ist erst später durch Mutation entstanden. Als dritte
Möglichkeit käme noch in Betracht, daß das Allel in Australien durch
selektiven Druck ausgestorben ist, aber hierfür gibt es weder
Indizien noch erkennbare Gründe. Der wesentliche Unterschied nun,
den ein Australier zu einem Weißen besitzt, ist, daß es nicht einen
einzigen australischen Ureinwohner gibt, der rhesus-negativ wäre.
Andererseits haben etwas über 83 % der Mitteleuropäer ebenfalls den
Rhesusfaktor, woraus wir schon entnehmen können, daß sich in Europa
zwei oder mehr Populationen vermischt haben müssen, eine, die mit
den australischen Ureinwohnern die Blutgruppe 0 gemein hat, und eine
andere, die mit ihnen zusammen die Blutgruppe A besitzt. Da in den
Rückzugsgebieten Europas wie etwa dem Baskenland der Anteil
rhesus-negativer Personen bei 25 % liegt, vermutet man, daß
ursprünglich die gesamte europäische Urbevölkerung durch ein
gänzliches Fehlen des Rhesusfaktors ausgezeichnet war. Woher die
Eindringlinge allerdings genau kamen und welche sonstigen
Blutmerkmale sie jeweils besaßen und mitbrachten, das ist bis
heute nicht
zufriedenstellend geklärt.
Gene breiten sich in erster Näherung, einer Normalverteilung
gehorchend, radial um ihren Entstehungsort aus, d.h. von dort, wo
auch ihre Mutation passiert ist. Der genetische Abstand für eine
Mutation, die erst beim Menschen stattgefunden hat und nicht schon
von den gemeinsamen Vorfahren des Menschen und der non-humanen
Primaten ererbt wurde, gilt stets in bezug auf den Ort, an dem sie
tatsächlich erfolgt ist. Generell dürfte aber auch die Regel gelten, daß
alle erworbenen Blutmerkmale, die ihr Maximum nicht in Südostasien
besitzen, auch nicht von dort ihren Ausgang genommen haben. Bei den
von den gemeinsamen Vorfahren ererbten verhält es sich ganz ähnlich.
Sie sind desto häufiger anzutreffen, je weiter sie von Südostasien
entfernt sind, weil sie von dort in kleinen Gruppen weggetragen
wurden und sich dadurch unverändert erhalten konnten. Die
Wahrscheinlichkeit, daß sich eine Mutation in einer großen Gruppe
ereignet, ist ungleich größer als in einer kleinen Gruppe. Umgekehrt
unterliegen ausgewanderte Gruppen anderen Selektionsmechanismen als
daheimgebliebene, einfach aufgrund veränderter Umweltbedingungen,
die den einen oder anderen Evolutionsvorteil begünstigen. Das macht
die Nachverfolgung einer Mutation nicht gerade einfach, zumal wenn
die Gründe nicht bekannt sind, die sie begünstigten. Gene bleiben
generell über längere Zeit stabil, ehe sie sich irgendwann ändern,
und solange werden sie von Generation zu Generation weitervererbt.
Jetzt wird auch klar, warum die Blutgruppen A und B weltweit immer
mehr zurückgedrängt werden. In
der Evolution stellten A und B gegenüber 0 wohl einen selektiven
Nachteil
dar, wie die höhere Anfälligkeit der Blutgruppe A gegen
die meisten Formen von Krebs sowie die Mutter-Kind-Unverträglichkeit
beweisen. Besitzt eine Mutter nämlich die Blutgruppe 0 und der Vater
die Blutgruppe A oder B, so kann er diese an das Kind weitergeben.
Die 0-Mütter können nun gegen ihre A- bzw. B-Kinder immunisiert
werden, so daß es zu einem Abbruch der Schwangerschaft kommt. In
diesen Elternkombinationen sind A- bzw. B-Kinder daher deutlich
seltener, was zur Folge hat, daß der Anteil der Blutgruppe 0 immer
mehr zunimmt. Dies führt
in letzter Konsequenz zu einem allmählichen Aussterben der Blutgruppen
A und B,
wobei man von einem 100%igen Aussterben aber gar nicht reden kann,
da nach den Mendelschen Regeln ein einmal vorhandenes Merkmal immer
wieder auftaucht.
Somit sollten etwa Männer, die die Blutgruppe A haben, mit keiner
Frau, welche die Blutgruppe 0 besitzt, Kinder zeugen. Männer der
Blutgruppe 0 hingegen dürfen sich die Frau frei wählen. Auch sollte
kein rhesus-positiver Mann mit einer rhesus-negativen Frau
Nachkommen produzieren, da es beim zweiten Kind, wenn es während der Schwangerschaft
zu einem Blutaustausch zwischen Mutter und Kind gekommen ist, zu
einer Rhesus-Unverträglichkeit kommen kann. Halten sich Eltern nicht
an diese Regel, müssen sie eventuell mit nur einem Kind vorlieb
nehmen. Völker, die sich ihre Blutreinheit nicht bewahrt haben,
haben also statistisch eine höhere Sterblichkeitsrate, weil sich ein
Selektionsmechanismus wie die Mutter-Kind-Unverträglichkeit nur in
solchen Mischpopulationen auswirken kann. Wenn wirklich alle Europäer
einmal Null-negativ waren, war das Eindringen der Blutgruppen A und
B sowie des Rhesusfaktors aus dem Osten für ihren Fortbestand nicht
gerade förderlich, zumindest aber läßt sich damit die heutige
genetische Zusammensetzung erklären. Nur in
Rückzugsgebieten wie dem Baskenland existiert noch die ursprüngliche
europäische Bevölkerung. Andererseits hatte die Degeneration
innerhalb Europas aber auch den Vorteil, daß die dortige Bevölkerung
nicht über alle Maßen explodiert ist, wie das beispielsweise in
Asien unter der mongoliden Bevölkerung der Fall war, wo es kaum
rhesus-negative Individuen gibt. Somit regeln
unterschiedliche Mechanismen auf unterschiedliche Weise den
Fortbestand der Art. Von den bislang existierenden Arten der Gattung
Mensch hat allein der Homo sapiens bis heute überdauert, alle
anderen Arten sind ausgestorben. Nur durch ein tieferes Verständnis
der Anthropologie wird der Mensch in der Lage sein, seine eigene
Spezies vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren.