Nach einer Übersetzung von
Franz-Josef Schmale und Irene Schmale-Ott
Im Jahr des Herrn
1099.
Kaiser Heinrich feierte das Geburtsfest des Herrn in Köln; an
Erscheinung dagegen machte er in Aachen seinen jüngeren Sohn
Heinrich V. zum König unter Zurückweisung seines älteren
Sohnes Konrad, den er früher gekrönt hatte.
Konrad aber entdeckte den Grund seines Aufstandes nur
ganz wenigen engen Vertrauten im Reich; er zog einen von seines
Vaters Ministerialen, der gleichfalls Konrad hieß, einen sehr
tapferen und klugen Mann, an sich und hatte in einigen Teilen Reichsitaliens fast neun Jahre den Titel und die Würde eines Königs
inne; in dieser Zeit verbrei-tete er den guten Ruf seines Charak-ters
im ganzen römischen Erdkreis in einem Maße, daß kein frommer und
kein weiser Mann daran zweifelte, daß das Heil des Staates auf ihn
zu gründen sei. Er war nämlich ein durch und durch katholischer und
dem Apostolischen Stuhl äußerst ergebener Mann, der mehr der
Religion als dem Regierungs-geschäft und den Waffen zuneigte;
obgleich hinreichend tapfer und kühn und sogar mehr als das, widmete
er sich dennoch lieber der Lektüre als Spielereien; allen Armen, vor
allem aber in Not befindlichen Rittern, wurde er durch Mitleid und
Erbarmen zum Nächsten; niemandem erwies er Verachtung, niemandem tat
er Gewalt, niemandem Unrecht, zu allen Personen jeglichen Standes
war er freundlich; nicht unverdient war er daher Gott und den
Menschen stets liebenswert. Er hatte sich vorgenommen, für immer
ehelos zu bleiben, wurde jedoch von den Seinen veranlaßt, die
Tochter des Herzogs Roger von Sizilien, des wohl berühmtesten Mannes
unserer Zeit, zur Gattin zu nehmen, mit
der er eine so keusche Ehe führte, daß man kaum glaubte, er habe sie
jemals erkannt. Nichtsdestoweniger verschmähte sie in taubenhafter
Treue eine zweite Ehe so sehr, daß sie, nachdem ihrem Leib ein
solches Haupt genommen war, den Rest ihres Lebens der Arbeit sechzigfältiger Frucht weihte. Gemäß der Vorschrift des
Gesetzes: „Du sollst deines Vaters Schande nicht enthüllen!“ und der
anderen: „Ehre deinen Vater!“ ließ er es niemals zu, daß man seine
eigenen Ohren mit dem Gerücht behelligte, das den Lebenswandel
seines Vaters im ganzen Römischen Reich verächtlich machte und das
ihm selbst Ursache für den Widerstand gegen den Vater und des
Abfalls von ihm war; vielmehr nannte er ihn stets seinen Herrn und
Cäsar, beziehungsweise Kaiser; wer vom Hofe des Vaters kam und sich
dessen Diener nannte - selbst die niedrigsten -, behandelte er mit
freundschaftlichem Wohlwollen. Außer Geistesgaben und Charakter
besaß er eine schöne Gestalt und war hoch gewachsen.
Im gleichen Jahr
gelangten Herzog Gottfried, Graf Raimund von St. Gilles, Graf Robert
von der Normandie und Graf Robert von Flandern mit ihren Truppen
nach mancherlei Schwierigkeiten nach Jerusalem; es war im vierten
Jahr, seitdem so bedeutende Krieger für diese Heerfahrt für
Christus, den für sie Gekreuzigten, das Kreuz freiwillig genommen
hatten. Das übrige Volk war ringsum über die verschiedenen
Landstriche verstreut, abgesehen von denen, die mit Bohemund in
Antiochien saßen oder mit Balduin nach Rohas abgezogen oder in
Laodikäa und Tyrus zurückgeblieben waren.
An dieser Stelle
drängt das brennende Herz, über die Ursache dieser Heerfahrt, die
nicht von Menschen, sondern von Gott angeordnet war, einiges dem
soeben Geschriebenen hinzuzufügen, vor allem wegen der
Anschuldigungen seitens einiger Törichter, ja Schamloser, die, stets
zufrieden mit dem alten Irrtum, dieses Neue, das einer alternden und
so beinahe zugrunde gehenden Welt dringend vonnöten ist, mit
vermessenem Geschwätz zu tadeln sich herausnehmen; sie, die selbst
nach der Weise Epikurs den breiten Weg der Begierden dem schmalen
Weg göttlichen Dienstes vorziehen und in ihrer Herzensverblendung, o
Schmach!, das Begehren nach der Welt für Klugheit, deren Verachtung
für Torheit, das heißt, den Kerker für das Vaterland, die Finsternis
für Licht, das Schlechte für gut, den Tod für das Leben halten.
Dabei kommt ihnen zustatten und verleiht ihnen eine derartige
Kühnheit jene durch und durch schlechte, zwar überall, aber
besonders in diesem Land sich breit machende Verkehrung der Dinge,
bei der die Weisheit von allen scheel angesehen wird, jede Tugend
verhaßt ist, Religion verachtet, Demut mit Füßen getreten wird,
Torheit Vorrang gewährt, das Laster Liebe verschafft, Grausamkeit
über die Furcht, Hochmut über die Ehre herrscht. Wir aber, die wir
allein auf Gott vertrauen und nicht dem Gegenwärtigen, sondern dem
Zukünftigen uns widmen, sind zwar nur armselige Zuschauer, aber
wenden ihnen doch unsere Gunst und unser Wohlwollen zu und loben
diese ruhmreichen Männer unserer Zeit; sie siegten über die Reiche
der Welt; um dessen willen, der besorgt das eine Schaf von hundert
suchte, verließen sie Frauen und Kinder, Herrschaft und
Reichtum; sie legten ihre Seelen in seine Hände und voller Eifer für
Gott, den Herrn der Heerscharen, nahmen sie, würdig gerüstet mit
doppelter Tapferkeit, den Dienst ihres himmlischen Königs auf sich.
Zur Zeit des
römischen Kaisers Heinrich IV. und des Kaisers von Konstantinopel
Alexius erhoben sich nach der Weissagung des Evangeliums überall
Volk gegen Volk und Reich gegen Reich, große Erdbeben ereigneten
sich verschiedenen Orts, auch Seuchen, Hunger, Schrecken vom Himmel
und große Zeichen; und da bereits bei allen Völkern die Posaune aus
dem Evangelium die Ankunft des gerechten Richters verkündete,
siehe!, da warf auch die allgemeine Kirche einen Blick auf die
gesamte Welt im Umkreis, die die prophezeiten Zeichen aufwies. Schon
war Jerusalem, bewohnt von sarazenischen Bürgern, Babylon untertan,
das nun Sitz des ägyptischen Reiches ist; schon kaufte sich die
christliche Religion in ihrer Schwachheit durch täglichen Tribut
frei. Bethlehem, die Wohnung des Brotes der Engel, war zu einem
Viehstall geworden, und alle Kirchen ringsum waren seit einer Reihe
von Jahren völlig den Gelüsten der Heiden unterworfen.
Als infolge eines
unglücklichen Schicksals zwischen den Christen des Orients, das
heißt zwischen Griechen und Armeniern, Krieg ausbrach, verbündeten
sich die Armenier als die Geringeren an Macht und Zahl mit Kriegern
von bedeutendem Ruf aus dem benachbarten Persien, nämlich mit den
Türken. Als die Unruhen dank deren Hilfe zu ihrer Zufriedenheit
beigelegt waren, entließen sie jene in ihre Heimat; Reichtum und
Fruchtbarkeit dieser Länder übten jedoch auf diese einen überaus
großen Reiz aus. Nach einigen Jahren hielten sie deshalb Rat, und
dann brachen von Norden her aus dem Land Gorrizim, das an Menschen
reicher als an Lebensmitteln sein soll, zahlreiche Scharen der
erwähnten Heiden hervor; unter vier Sultane - so pflegen sie nämlich
ihre Fürsten zu nennen - aufgeteilt, dem einen persischen Kaiser in
fast göttlichem Kult untertan, breiteten sie sich über Armenien und
von dort aus über Kappadokien und ganz Rum und Syrien aus. Zunächst
eroberten sie Nikäa, einst ein fester Turm des katholischen
Glaubens, und töteten alle Christen, deren sie habhaft wurden; sie
legten Truppen unter einem der Ihren, unter dem Tyrannen Suleiman,
dorthin und verwüsteten ringsum gründlich alle Gebiete bis an den
Sumpf oder den Meerbusen, der Arm des hl. Georg heißt, und
verschonten keinen Christen, keine Kirche, kein Kloster, ja nicht
einmal die Bilder der Heiligen.
Wir sahen nämlich, und
es ist noch heute ein trauriges Schauspiel, wie in den
halbzerstörten Kirchen jenes Gebietes die Bilder selbst unseres
Erlösers und seiner glorreichen Mutter oder auch die Auserwählter
durch Beschädigung an Nasen und Augen, Händen und Füßen die Trauer
der verwüsteten Kirchen gewissermaßen sichtbar machen und durch
gleichsam immer neue Schläge zeigen, daß die Geißel des göttlichen
Gerichts über ihnen wacht. Vor diesen Schwertern, edelstes
Konstantinopel, schützte dich weder die tausendfältige List deines
Königs, noch das zahllose Volk deiner Bürger, weder die zahlreichen
Märkte, noch die schier unermeßliche Anhäufung von Gold kauften dich
los; weder die große Zahl der Waräger noch die der Türken, noch die
der Petschenegen, noch die der Schiffe verteidigten dich; allein das
dazwischen liegende genannte Gewässer war dein Schutz, nur das
Wirken deines Schöpfers war dir Schutzwall.
Diesem Ansturm
unterlag das einst mächtige Antiochien, und, um mich nicht länger
mit Einzelheiten aufzuhalten, ganz Syrien und zugleich Palästina
versprachen Treue.
Als also das Land der
Verheißungunterworfen war, wurde Jerusalem, die Mutter
unserer Erlösung und unseres Glaubens, durch ein doppeltes Joch der
Knechtschaft bedrückt; demgegenüber war es nur ein sehr geringer
Trost, daß das Volk seiner Bedränger, der Sarazenen, das noch
schändlicher ist als die Türken, durch das gleiche Schicksal
bestraft wurde. Nachdem in der Stadt ein Sultan eingesetzt und
zahlreiche Soldaten dorthin verlegt waren, wurden die Klöster
außerhalb der Stadt niedergerissen, um eine Vormauer, die man noch
heute sehen kann, und einige andere Gebäude zu errichten; das Grab
des Herrn indessen blieb der Steuer wegen verschont; der berühmte
Tempel, der - wie ich meine - mit keinem
menschlichen Bauwerk vergleichbar ist, wurde der gotteslästerlichen
Religion der Heiden vorbehalten, doch genoß er so große Verehrung,
daß sie ihn stets nur mit bloßen und gewaschenen Füßen betraten, den
Christen aber erlaubten sie während so vieler Jahre, sowohl zur Zeit
der Sarazenen wie der Türken, nicht einmal den Zutritt zum Vorhof,
weil sie diese für ganz besonders unrein hielten.
Welche Marter, welches Kreuz, welche Drangsal ganz
allgemein die übriggebliebenen Christen in ihrer Knechtschaft
erduldeten, während die Sieger bald Krieg führten, wenn es
erforderlich war, bald sich dem Spiel und dem Genuß hingaben, zumal
sie von kärglicher Scholle in äußerst fruchtbares Land übergesiedelt
waren, das ist für jemanden, der es nicht selbst erfahren hat, kaum
zu glauben; doch kann man das leicht durch die zahlreichen
Botschaften und Briefe erfahren, die auch wir gesehen haben und
die voller Trauer die allgemeine Kirche zum Schutz der Kirche von
Jerusalem aufriefen. Auch der erwähnte Kaiser Alexius von
Konstantinopel schickte an Papst Urban nicht wenige Briefe wegen der
barbarischen Räuber, die bereits den größeren Teil seines Reiches
überflutet hatten; darin beklagte er, nicht genügend Kräfte für die
Verteidigung der orientalischen Kirchen zu besitzen; er beschwor
ihn, nach Möglichkeit
den gesamten Westen, der schon ganz und gar durch das christliche
Bekenntnis bestimmt wurde, zu seiner Hilfe aufzurufen, und
versprach, seinerseits den Kämpfenden alles Notwendige zu Lande und
zu Wasser zur Verfügung zu stellen.
Bewegt beriefen der Papst und die ganze Römische
Kirche ein allgemeines Konzil an der Grenze von Spanien oder, wie
einige sagen, in Paris ein; auch er selbst kam auf einem überaus
mühsamen Weg dorthin und erläuterte mit beredtem Mund dem
zahlreichen Volk, das sich dort eingefunden hatte, und den Gesandten
der verschiedenen Reiche alles, was soeben berichtet wurde und noch
vieles mehr.
Bald brachen Tausende in Tränen aus, und in
verschiedenen Sprachen erhoben sich die Klagen zum Himmel; ihnen
allen gewährte der erhabene Lehrer Nachlaß der Sünden für den Fall,
daß sie unter Aufgabe ihres ganzen Besitzes einmütig das Kreuz nach
dem Vorbild Christi trügen und ihren in
Not befindlichen Mitchristen Hilfe brächten. Infolge dieses
Versprechens erhoben sich die Herzen aller, und etwa 100000 Mann
wurden auf einmal für das Heer Christi bezeichnet, aus Aquitanien
und der Normandie, aus England, Schottland und Irland, aus der
Bretagne, Galicien, Gascogne, Gallien, Flandern, Lothringen und den
übrigen christlichen Völkern, deren Namen jetzt gar nicht alle
einfallen.
Als ein Heer, das in
Wahrheit das Kreuz trug, hatte es auf seinen Gewändern das Zeichen
des Kreuzes als Mahnung des Todes, im Glauben daran, daß es gemäß
der Erscheinung, die Konstantin der Große einst hatte, über die
Feinde des Kreuzes Christi triumphieren werde.
Durch die wunderbare
und unwägbare Anordnung Gottes wuchsen so viele Glieder Christi,
verschieden nach Sprache, Stämmen und Völkern, plötzlich in
gemeinsamer Liebe glühend, zu dem einen Körper Christi zusammen,
alle unter dem einen König Christus, die einzelnen Völker jedoch
unter einzelnen Führern, nämlich unter Gottfried von Lothringen und
seinen Brüdern Balduin und Eustach, Robert von Flandern, Robert von
der Normandie, Graf Raimund von St. Gilles, Hugo, dem
Bruder König Philipps von Frankreich, und den übrigen ebenso
tüchtigen, adligen und tapferen Kriegern. An ihrer aller Spitze
stellte der erwähnte Papst den Bischof Adhemar, einen bewundernswert
heiligmäßigen und weisen Mann; ihm gestattete er, die Gewalt zu
binden und zu lösen, die der hl. Petrus dem Römischen
Stuhl hinterlassen hat, stets an seiner Statt auszuüben; dem Heer,
das mit dem Zeichen der himmlischen Heerschar gezeichnet war, gab er
den apostolischen Segen und kehrte dann, nachdem alle die Zeit des
Abmarsches ausgemacht hatten, mit einer ansehnlichen Abteilung
dieser Kreuzfahrer nach Italien zurück.
Sobald die einzelnen
Gesandten in ihre Heimat zurückgekehrt waren, verbreitete sich diese
Kunde bald überall und bewegte den ganzen Erdkreis; darüber hinaus,
was geradezu wunderbar klingt, überflog sie in gewohnter
Schnelligkeit sogar die Grenze des Ozeans und ließ die Meere selbst
für die Heerschar des himmlischen Königs sich über und über mit den
Flotten der Inselbewohner füllen. Denn wie wir zuverlässig erfuhren,
ergoß der Ozean so unbekannte Völker, daß kein Küstenbewohner und
selbst keiner von den Seefahrern deren, ich möchte nicht sagen,
Sitten und Bräuche, sondern nicht einmal deren Sprache kannte;
andere wiederum, denen nichts außer Brot und Wasser zum Leben
diente; ebenso solche, die bei allen Gebrauchsgegenständen Silber
statt Eisen verwendeten.
Von hier und überall
her vermehrte sich täglich ringsum die Zahl der Gezeichneten, und,
wie wir sagten, die ganze Welt war entflammt für diese Heerfahrt,
wurde erschüttert, oder besser, schien umgestaltet zu werden.
Die Westfranken ließen
sich leicht gewinnen, ihr Land zu verlassen; denn seit Jahren
suchten Bürgerkrieg, Hungersnot und Sterblichkeit Frankreich schwer
heim, und zuletzt hatte sie die Plage, die bei der Kirche der hl.
Gertrud zu Nivelles zuerst auftrat, in solchen Schrecken versetzt,
daß sie am Leben verzweifelten. Es verhielt sich aber
folgendermaßen: Befallen von einem unsichtbaren Feuer, brannte man
an irgendeinem Teil des Körpers so lange unter schwerer, ja
unvergleichbarer Qual und unheilbar, bis man entweder das Leben und
damit diese Marter oder diese Marter zusammen mit dem befallenen
Glied verlor. Es sind noch heute einige bekannt, die durch dieses
Leiden an Händen oder Füßen verstümmelt sind. Die Völker der übrigen
Nationen und andere Personen erklärten, abgesehen von dem Erlaß des
Papstes seien sie durch Propheten, die unter ihnen aufstanden, durch
himmlische Zeichen und Erscheinungen zum Land der Verheißung gerufen
worden, andere dagegen sagten, sie hätten sich durch irgendwelche
ungünstigen Umstände zu solchen Gelübden veranlaßt gesehen; denn ein
großer Teil von ihnen machte sich mit Frauen und Kindern und seiner
ganzen Habe auf den Weg.
Den Ostfranken
dagegen, den Sachsen, Thüringern, Bayern und Alemannen drang diese
Posaune kaum ins Ohr; es lag vor allem an dem Schisma zwischen der
königlichen und der geistlichen Gewalt, das seit der Zeit Papst
Alexanders bis heute uns den Römern und ebenso die Römer uns verhaßt
und zu Feinden gemacht hat. Daher hat fast das gesamte deutsche Volk
zu Beginn dieses Zuges in Unkenntnis über dessen Ursache alle die,
die durch sein Land zogen, die Reiterscharen, das Fußvolk, die
Bauern, Frauen und Kinder als in einem unerhört törichten Wahn
befangen verhöhnt, weil sie Ungewisses an Stelle der Gewißheit auf
sich nahmen, in leerem Wahn das Land ihrer Geburt verließen, ein
ungewisses Land der Verheißung mit eindeutigem Risiko erstrebten,
sich von ihrem Eigentum lossagten und fremdem nachjagten. Aber wenn
unser Volk auch viel überheblicher ist als die übrigen, so beugte
sich dennoch das deutsche Ungestüm, da Gottes Erbarmen verheißen
war, dem Wort dieser Botschaft, von den vorüberziehenden Scharen
über den Sachverhalt völlig belehrt.
Außerdem regten das
erwähnte Zeichen an der Sonne und vieles Bedeutsame in der Luft und
auf der Erde nicht wenige zur Teilnahme an, die zunächst
unbeeindruckt geblieben waren. Es scheint uns nützlich, einige von
diesen Zeichen hier anzuführen; sie alle zu nennen, würde zu weit
führen. Auch wir sahen nämlich um den siebten Oktober einen Kometen
im Süden stehen, dessen Glanz sich schräg wie ein Schwert
erstreckte; im dritten Jahr danach erblickten wir am 24. Februar im
Osten einen anderen Stern, der seinen Standort nach langem
Stillstehen in Sprüngen veränderte; ebenso sahen wir von Westen wie
von Osten blutigrote Wolken aufsteigen, die sich in der Mitte des
Himmels trafen; jeweils um Mitternacht hinwiederum erhob sich im
Norden feuriger Glanz; ebenso bezeugen wir mit zahlreichen
Gewährsleuten, mehrfach Fackeln durch die Luft fliegen gesehen zu
haben.
Wenige Jahre zuvor sah
ein Priester Swigger, ein Mann von verehrenswürdigem Lebenswandel,
eines Tages um die neunte Stunde, wie zwei Reiter in der Luft
zusammenstießen und lange miteinander kämpften und wie schließlich
der eine, der ein ziemlich großes Kreuz trug, mit dem er zuzustoßen
schien, über den anderen siegte.
Ein Priester G., der
nun als Mönch mit uns zusammen Christus das an Stelle der Erstgeburt
des Esels geschuldete Opfer eines Schafes darbringt, ging eines
Mittags mit zwei Begleitern im Wald spazieren, dabei sah er, wie ein
erstaunlich langes Schwert durch einen Wirbelwind - man weiß nicht,
woher er kam - aufwärts davongetragen wurde, und bis die Höhe es dem
Blick entzog, nahm er mit den Ohren das Klirren und mit den Augen
das Metall wahr.
Einige berichteten,
sie hätten, als sie bei den weidenden Pferden wachten, in der Luft
eine Stadt gesehen und beobachtet, wie verschiedene Scharen zu Pferd
und zu Fuß von verschiedenen Seiten her zu der Stadt zogen.
Einige erklärten auch,
daß ihnen von Gott das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn, auf die
Kleider oder sonst eine Stelle des Körpers aufgeprägt worden sei,und sie glaubten sich durch dieses Zeichen für das Heer des
Herrn verpflichtet.
Wieder andere gaben
infolge eines plötzlichen Sinneswandels oder eines nächtlichen
Gesichtes ihre Güter und ihr ganzes Hauswesen auf und hefteten an
ihre Kleider das Zeichen des Todes; überdies lief das Volk in
unglaublichen Scharen zu den Kirchen, und nach einem neuen Brauch
verteilte man vom Priester geweihte Schwerter, Stäbe und Kästchen.
Soll ich
weitererzählen, daß in dieser Zeit eine Frau zwei Jahre lang
schwanger war und endlich, als ihr Leib sich öffnete, einen Sohn
gebar, der sprechen konnte; daß ein Kind, das alle Glieder doppelt
hatte, ein anderes mit zwei Köpfen und auch einige Lämmer mit zwei
Köpfen geboren wurden, und daß die Füllen der Stuten so große Zähne,
wie wir sie im Volksmund Roßzähne nennen und die die Natur nur
dreijährigen Pferden gibt, schon bei der Geburt vorwiesen?
Während sich durch
diese und ähnliche Zeichen die ganze Schöpfung zur Teilnahme an der
Heerschar des Schöpfers anfeuerte, zögerte jener Feind, der stets
wacht, auch wenn die übrigen schlafen, keinen Augenblick, unter die
gute Saat sein Unkraut zu säen, falsche Propheten zu erwecken und
unter die Heere des Herrn falsche Brüder und ehrlose Weiber unter
dem Vorwand der Frömmigkeit zu mischen; so wurden durch die
Heuchelei und die Lügen der einen, durch die abscheuliche Befleckung
der anderen die Herden Christi derart beschmutzt, daß nach der
Weissagung des guten Hirten auch die Auserwählten in Irrtum fielen.
So wurde jene
fabelhafte Geschichte über Karl den Großen erdichtet, der zu eben
diesem Zweck angeblich von den Toten wieder auferweckt wurde, und
über einen anderen, ich weiß nicht wen, der ebenso wieder lebte,
oder auch jene abgeschmackte Geschichte von der Gans, die angeblich
ihre Herrin geleitete, und noch vieles dieser Art.
Obgleich die einzelnen
Verführer an ihren Früchten und unter dem Schafskleid als Wölfe zu
erkennen sind, sollte man diejenigen, die von diesen noch
übriggeblieben sind, befragen, von welchem Hafen aus sie denn gemäß
ihrem Versprechen ohne Schiff das Meer überquerten, in welchen
Schlachten und an welchen Orten sie denn mit einer nur kleinen Schar
zahlreiche Heiden niederstreckten, welche von deren Befestigungen
sie dort einnahmen, an welcher Seite der Mauern von Jerusalem sie
schließlich das Lager aufschlugen, und so weiter; da sie keine
Antwort darauf haben, müssen sie notwendigerweise Buße tun für die
Gaben der Gläubigen, die sie durch Heuchelei erhielten, ebenso wie
für die Scharen, die sie verführt hatten und die wegen ihrer
Räubereien umgekommen waren, vor allem aber für ihren eigenen Abfall
vom Glauben.
Als der Haufe, der wie
erwähnt, Folkmar durch Böhmen folgte, bei der ungarischen Stadt
Neitra während eines Aufstandes teils durch Gefangennahme, teils
durch das Schwert umkam, blieben nur einige wenige übrig, die noch
heute zu bezeugen pflegen, daß das am Himmel erscheinende Zeichen
des Kreuzes sie vor dem drohenden Untergang bewahrt habe.
Gottschalk aber, kein
wahrer, sondern ein falscher Knecht des Herrn, drang unter
mancherlei Schäden für das östliche Bayern in Ungarn ein und begann
dann unter dem Anschein bewundernswerter, aber falscher Frömmigkeit
in einer Burg einen festen Stützpunkt einzurichten und, nachdem er
dort für eine Besatzung gesorgt hatte, mit dem übrigen Volk Ungarn
ringsum zu verwüsten. Als aber dieser feste Platz von der
Bevölkerung unverzüglich eingenommen wurde, viele den Tod fanden
oder in Gefangenschaft gerieten und der Rest der Herde zerstreut
war, da suchte er selbst, ein Mietling, kein Hirt, sein Heil in
schimpflicher Flucht.
Auch stand in jenen
Tagen ein Haudegen namens Emicho auf, ein Graf im Rheinland, seit
langem verrufen ob seines gewalttätigen Lebenswandels; wie ein
zweiter Saul, durch göttliche Offenbarungen, wie er sagte, zu
solcher Frömmigkeit bewogen, riß er nun die Führung über fast 12000
Kreuztragende an sich; diese wurden durch die Städte an Rhein, Main
und Donau geführt, und wo sie das verdammenswerte Volk der Juden
antrafen, da bedienten sie sich ihres christlichen Eifers dazu, es
entweder völlig zu vernichten oder es in den Schoß der Kirche zu
treiben.
Als sie dann, durch
eine unzählbare Menge Volks beiderlei Geschlechts vervielfacht, an
die Grenze von Ungarn kamen, wurde ihnen der Eintritt in das Reich,
das teils von Sümpfen, teils von Wäldern umgeben ist, durch
Grenzwachen verweigert; denn König Koloman war die Kunde zu Ohren
gekommen und hatte ihn gewarnt, daß die Deutschen keinen Unterschied
zwischen der Vernichtung der Heiden und der Ungarn machten. Als sie
daher die feste Wieselburg sechs Wochen lang bestürmten, erlitten
sie dort mancherlei Ungemach; unter anderem stritten sie höchst
töricht untereinander darüber, wer von ihnen sich unter dem Namen
eines Königs der Ungarn des Landes bemächtigen sollte.
Als sie sich um die
endgültige Eroberung mühten, die Mauern schon gebrochen waren, die
Bürger flohen und das ungarische Heer das Eigentum den Flammen
preisgab, da wandte sich nach dem wunderbaren Willen Gottes das
siegreiche Heer der Fremden dennoch zur Flucht; das Gepäck wurde
zurückgelassen, und außer dem armseligen Leben brachte keiner etwas
zurück. Die Menschen unseres Volkes besaßen zwar den Eifer für Gott,
aber nicht nach der Weisheit Gottes; denn auf der Heerfahrt, die
Christus zur Befreiung der Christen bestimmt hatte, hatten sie
begonnen, statt dessen andere Christen zu verfolgen; durch das
Erbarmen Gottes wurden sie, als das Bruderblut floß, zurückgedrängt,
die Ungarn aber befreit; das ist der Grund dafür, daß einige
einfältigere Brüder, die die Sache nicht durchschauten, Ärgernis
nahmen, das ganze Kreuzzugsunternehmen voreilig verurteilten und es
für eitel und vermessen erklärten. Während die Spreu durch diese
Wurfschaufel aus der göttlichen Tenne hinausgeworfen wurde, sehen
wir die Weizenkörner infolge ihrer natürlichen Beständigkeit
ausdauern, nämlich Gottfried und die erwähnten übrigen Führer der
Heerschar des Herrn, die jeder einzelne mit seinen Leuten - ihre
Heerlager waren schöner anzuschauen als die Ordnung der Sterne - von
den Fürsten aller Völker, deren Länder sie durchzogen, durch das
Beispiel ihrer Demut und Liebe, wie es wahren Jüngern Christi ziemt,
Frieden und Wohlwollen erlangten; nachdem sie unter verschiedenen
Schwierigkeiten Bulgarien passiert hatten, erreichten sie
schließlich die Türme von Konstantinopel.
In Jerusalem lasen wir
ein Büchlein, das von diesem Augenblick an die ganze
Geschichte sehr genau verfolgt und die zahlreichen Mühsale des
Gottesvolkes während dreier Jahre mit dem freudigen Sieg bei der
Einnahme Jerusalems beschließt. Deshalb zeichnen wir aus dem Vielen
nur einiges Wenige auf, nämlich daß der Kaiser Alexius sich solche
Helden mit scheinbaren Wohltaten zu Freunden machte, sie nachher
aber unter erzwungenen Eiden verpflichtete, nicht mit
Gewalt gegen sein Reich vorzugehen; gleichwohl steht es fest, daß
er, als die ersten Abteilungen sich in Konstantinopel aufhielten, um
die anderen Ankömmlinge zu erwarten, sie alle mit List getötet
hätte, wenn nicht Herzog Gottfried mit Sorgfalt und Vorsicht über
die Herde des Herrn gewacht hätte. Dieses Zerwürfnis bezeugen die
Vorstädte, die er damals zerstörte, und die Brücke, die er eroberte.
Was weiter? Fast zwei Monate lang nahm das Heer bei Byzanz täglich
neue Zuzügler auf, so daß es abgesehen von der zahllosen Menge
gemeinen Volks, von Kindern und Frauen, auf 300000 Kämpfende
geschätzt wurde. Die Scharen Peters, die man auf Befehl des Alexius
längst übergesetzt hatte, waren den Heiden ein Spott geworden.
Schließlich brachen
sie auf und wendeten sich nach Nikäa; sie schlugen den schon
erwähnten Fürsten Suleiman in die Flucht, dann nahmen sie die Stadt
ein und übergaben sie den Truppen des Kaisers; sie hatten nämlich
geschworen, die Städte, die seiner Gewalt entzogen waren, im Falle
der Eroberung der früheren Herrschaft zurückzugeben; die Griechen
sollten sie ihrerseits mit Waffen und Lieferungen auf des Königs
Kosten in gleichem Maße unterstützen.
Von dort zogen sie
durch das Reich Konstantins, ein überaus wohlhabendes Land, und
erreichten das Meer bei Ruscia. Wie aus einem Brief hervorgeht, den
der Graf Rupert überbrachte, führte Christus seine Heerschar unter
solchem Überfluß an Lebensmitteln, daß ein Widder nur einen
Groschen, das Rind aber nur einen Sekel kostete.
„Außerdem“, so sagt er
, „so viele Könige und Fürsten der Sarazenen auch gegen uns
aufstanden: da es Gott so wollte, wurden sie leicht besiegt und
zerschmettert. Weil alles so glücklich verlief, wurden einige
überheblich; da stellte Gott ihnen Antiochien entgegen, eine für
menschliche Kräfte uneinnehmbare Stadt; hier hielt er sie neun
Monate lang bei der Belagerung fest und demütigte sie derart, daß
ihnen Hochmut und Aufgeblasenheit vergingen. Schließlich waren sie
so gedemütigt, daß es im ganzen Heer kaum mehr hundert gute Pferde
gab; da aber öffnete Gott ihnen die Fülle seines Segens und seines
Erbarmens und führte sie in die Stadt und gab die Türken und deren
ganze Habe in ihre Gewalt.
Da sie es jedoch
besaßen, als hätten sie es mit eigenen Kräften erworben, und Gott,
der es ihnen gegeben hatte, nicht entsprechend verherrlichten,
wurden sie von so zahlreichen Sarazenen belagert, daß
niemand aus der großen Schar mehr die Stadt zu verlassen wagte.
Außerdem wuchs der Hunger in der Stadt derart, daß sich einige kaum
unmenschlicher Speisen enthielten. Es würde zu weit führen, das
Elend in der Stadt zu schildern.
Der Herr aber schaute
auf das Volk, das er so lange gegeißelt hatte, und tröstete es in
seiner Güte: gleichsam als Wiedergutmachung für die Bedrängnis gab
er ihnen zuerst als Unterpfand des Sieges seine Lanze, mit der er
am Kreuz verwundet worden war, ein Geschenk, das seit der
Zeit der Apostel nicht mehr gesehen worden war; daraufhin erfüllte
er ihre Herzen mit solchem Mut, daß die, denen Krankheit und Hunger
die Kraft zu gehen genommen hatten, die Stärke erhielten, die Waffen
zu ergreifen und mannhaft gegen die Feinde zu kämpfen.
Da Hunger und
Überdruß das Heer in Antiochien schwächten, vor allem aber wegen der
Zwietracht unter den Fürsten, zogen sie nach dem Sieg
über die Feinde nach Syrien, eroberten die sarazenischen Städte
Barra und
Marra und besetzten die Burgen des Landes. Als sie dort
einen Aufenthalt einlegten, entstand eine solche Hungersnot im Heer,
daß das Christenvolk Leichen von Sarazenen verzehrte, die bereits in
Verwesung übergingen.
Von dort rückten sie auf Gottes Geheiß nach Isphahan, und die freigebige, erbarmende und siegreiche Hand des
allmächtigen Vaters war bei ihnen. Die Bürger und Burgleute der
Gegend, durch die sie zogen, schickten ihnen nämlich Gesandte mit
zahlreichen Geschenken und waren bereit, ihnen zu dienen und ihre
Städte zu übergeben. Aber das Heer war nur klein und strebte
einmütig nach Jerusalem; deshalb ließen sie sich Sicherheiten geben
und machten sie tributpflichtig; unter den vielen Städten an der
Küste hatte schon eine allein mehr Menschen, als das christliche
Heer zählte. Sobald man in Antiochien, Laodikäa und Rohas
hörte, daß die Hand des Herrn
mit ihnen sei, kamen ihnen viele aus dem Heer, das dort
zurückgeblieben war, nach Tyrus nach.
So gelangten sie nach Jerusalem, und Gott war ihr
Weggenosse und Helfer. Als sie dann bei der Belagerung große Mühsal
erlitten, vor allem wegen des Wassermangels, hielt man eine
Versammlung ab, und die Bischöfe und Fürsten verkündeten, man müsse
die Stadt mit bloßen Füßen umschreiten, auf daß jener, der um
unsretwillen in Demut in sie eingezogen sei, durch ihre Demut um
seinetwillen ihnen die Stadt öffne zum Gericht über seine Feinde.
Durch diese Demut ließ sich der Herr besänftigen und übergab ihnen
am achten Tag nach ihrer Demütigung die Stadt, an dem Tag, an dem
die Urkirche von dort vertrieben wurde und von vielen Gläubigen das
Fest der Zerstreuung der Apostel gefeiert wird.“
Dabei muß aber noch berichtet werden, daß damals, als
das Heer Antiochien belagerte, alle Völker des Orients von Schrecken
ergriffen waren und aus allen Teilen der Erde Gesandte und
Kundschafter herbeieilten; die einen, um den Frieden, die anderen,
um den Krieg zu betreiben; auch Gesandte des babylonischen Königs
wurden bei den versammelten Fürsten vorstellig und versprachen unter
anderem, ihr Herr würde mit allen Sarazenen ihr Bruder und Freund
sein, falls sie nach dem Sieg über Antiochien auch aus Jerusalem die
Türken vertrieben; denn, wie schon erwähnt, hatten einst die Türken
Judäa mit Jerusalem und ganz Palästina den Sarazenen abgenommen.
Deshalb wurden, nachdem man Sicherheit
erhalten hatte, zahlreiche auserwählte Ritter nach Babylon gesandt;
ihre Tapferkeit, hochragende Gestalt, Haltung, Auftreten und
überhaupt ihre Vornehmheit setzten die Barbaren in Staunen, so daß
sie meinten, die Franken - so nämlich pflegen sie die Völker des
Westens insgesamt zu bezeichnen - seien eher Götter als Menschen,
und versicherten, es sei kein Wunder, daß derartige Krieger sich die
ganze Welt zu unterwerfen trachteten. Der König von Babylon hielt
also Rat und belagerte sodann Jerusalem, und indem er die
Unterhändler zeigte, suchte er den Bewohnern zu beweisen, daß er mit
den Franken im Bunde sei, und er drohte, sie deren Schwertern
auszuliefern, falls sie ihm die Stadt nicht übergäben. Mit solchen
Ränken, nicht weil man ihn, sondern weil man die Franken fürchtete,
nahm der Barbarenkönig die Stadt ein und sicherte sie nach dem Abzug
aller Türken auf jede Weise durch Vorrichtungen und Truppen gegen
den Anmarsch der Christen; so geschah es, daß Jerusalem in einem
Jahr zweimal erobert wurde, zuerst von den Sarazenen, darauf von den
Franken.
Wenn jemand wissen
möchte, was mit den Feinden in der Stadt geschah, so höre er, daß
die Sieger in der Vorhalle des Salomon und in dessen Tempel bis zu
den Knien der Pferde im Blut der Sarazenen ritten. Als entschieden
war, wer die Stadt halten sollte, und die anderen aus Liebe zur
Heimat und aus Anhänglichkeit gegenüber ihren Eltern die Rückkehr
antreten wollten, wurde ihnen gemeldet, der König von Babylon sei
mit einer zahllosen Menge Heiden nach Askalon gekommen, um die
Franken in Jerusalem in Gefangenschaft zu führen und Antiochien zu
erobern; so hatte er selbst gesagt, der Herr aber hatte es anders
beschlossen. Als daher diejenigen, die in Jerusalem waren, mit
Sicherheit erfahren hatten, daß das Heer der Babylonier in Askalon
sei, zogen sie diesem entgegen, Gepäck und Kranke jedoch ließen sie
mit einer Besatzung in Jerusalem zurück. Als sie des zahllosen
feindlichen Heeres ansichtig wurden, riefen sie kniefällig Gott an,
er, der ihnen in anderen Notlagen stets beigestanden hatte; möge in
dieser Schlacht die Macht der Feinde und des Teufels brechen und die
Herrschaft Christi und der Kirche von Meer zu Meer und überallhin
ausbreiten. Was weiter? Gott stand denen bei, die zu ihm riefen, und
gab ihnen solche Kraft und Kühnheit, daß, wer sie gegen die Feinde
anrennen sah, einen Hirsch, der nach dem Quell lebendigen Wassers
dürstet, für phlegmatisch gehalten hätte: es war wie ein
Wunder, denn das christliche Heer zählte nicht mehr als 5000 Ritter
und 15000 Mann zu Fuß, das feindliche aber wohl bei 100000 Rittern
und 400000
Mann Fußvolk. Wunderbar erwies sich Gott damals an seinen Dienern,
da er, noch ehe es zum Kampf kam, durch deren bloßen Ansturm so
viele in die Flucht schlug und ihnen sämtliche Waffen nahm, so daß
sie, falls sie jenen danach noch Widerstand leisten wollten, keine
Wehr mehr besaßen, auf die sie hätten vertrauen können.
Nach der Menge der Beute braucht man erst gar nicht zu fragen, da
dort die Schätze des Königs von Babylon erobert wurden. Mehr als
100000 Mauren fielen dort durch das Schwert; solche Furcht hatte sie
ergriffen, daß bei 2000 im Hafen der Stadt den Tod fanden; zahllos
auch diejenigen, die im Meer umkamen, ebenso hielt Dornengestrüpp
viele fest. Wahrhaftig, der ganze Erdkreis focht für die Christen!
Und wenn die Beute im Lager nicht zahlreiche Christen aufgehalten
hätte, wären nur wenige aus der großen Zahl der Feinde
übriggeblieben, die von dem Kampf hätten berichten können. Am Tage
vor der Schlacht jedoch hatte das Heer viele tausend Kamele, Rinder
und Schafe erbeutet. Als das Volk zum Kampf auszog und sie auf
Befehl der Fürsten laufen ließ, da bildeten - es klingt wie ein
Wunder - die Kamele und ebenso die Rinder und Schafe zahlreiche und
vielfältige Scharen, und die Tiere begleiteten das Heer, blieben
stehen, wenn es stehenblieb, gingen vor, wenn es vorging, und
liefen, wenn es lief. Ebenso schützten Wolken die Christen vor der
Sonnenhitze und verschafften Kühlung.
Das Heer feierte den Sieg und kehrte dann nach
Jerusalem zurück; hier blieb Herzog Gottfried, während Graf Raimund
von St. Gilles, Graf Robert von der Normandie und Graf Robert von
Flandern wieder nach Laodikäa zogen; hier fanden sie die Flotten der
Pisaner und Bohemund. Als der Erzbischof von Pisa Bohemund und die
anderen, die mit ihm stritten, versöhnt hatte, entschloß sich
Raimund, um Gottes und seiner Brüder willen zurückzukehren; dagegen
machte sich nun die große Masse, wie oben gesagt, auf den Heimweg;
die Zurückbleibenden aber besaßen nach Gottes Willen das Land in
Frieden und besitzen es bis heute.
Der hochherzige Herzog dagegen, und man kann kaum
jemanden finden, der ihm an Frömmigkeit gleichkommt, begann, wenn
auch nur auf eine kleine Truppenmacht gestützt, Großes im Herrn zu
unternehmen: Er verfolgte überall die Reste der Heiden, legte
Besatzungen an geeignete Plätze, das seit langem zerstörte Joppe und
den dortigen längst verlassenen Hafen
erneuerte er, stellte Kirchen und Geistlichkeit, soweit es in seinen
Kräften stand, wieder her, bildete Mönchsgemeinschaften und übertrug
den Klöstern und dem Hospital, das schon immer in Jerusalem
bestanden hatte, ehrerbietig zahlreiche Schenkungen. Mit denen von
Askalon und Damaskus hielt er des Handels wegen dauerhaften Frieden,
die Ritter unseres Volkes zeichnete er vor allen anderen aus; indem
er auf feine Art deren Kühnheit den französischen Rittern empfahl,
besänftigte er, da er von Kindheit an beide Sprachen beherrschte,
die Eifersucht, die zwischen beiden gewissermaßen von Natur aus
besteht.
In diesem Jahr wurde
Bischof Konrad von Utrecht von seinen eigenen Leuten ermordet.
Bischof Hermann von Köln starb; auf ihn folgte Friedrich.
Pfalzgraf Rapoto und
sein Oheim väterlicherseits, Graf Udalrich, den man den Vielreichen
nannte, starben. Als der Kaiser in Regensburg eine Zusammenkunft mit
den Fürsten hatte, raffte nämlich ein plötzliches Sterben die beiden
genannten Großen und zahlreiche Geringere hin, ebenso auch eine
Menge Volkes in den Städten und auf dem Land. An vielen Orten brach
unvorhergesehen Hungersnot aus.
Papst Urban starb.
Dieser hielt wegen der Unruhe in der Kirche, die - leider! - bis
heute andauert, zahlreiche Konzilien ab und verkündete ebenso
zahlreiche Dekrete; unter anderem rief er etwa 200 Väter in der
Stadt Piacenza zusammen und erklärte, daß er ebenso wie seine
Vorgänger Kaiser Heinrich von der Gemeinschaft ausschließe; vor
allem die Königin Adelheid, die Gemahlin des Kaisers, die ebenfalls
anwesend war, brachte vor den Ohren der genannten Synode viel
Verabscheuungswürdiges gegen ihn vor. Bevor aber Urban aus diesem
Leben schied, bezeichnete er, von göttlichem Geist erleuchtet, den
Kardinal Rainer von S. Clemente, einen Abt von heiligmäßigem
Lebenswandel und gutem Leumund, einen vornehmen Römer, als
denjenigen, der zur apostolischen Herrschaft erwählt werden sollte;
dieser wurde auch durch andere Offenbarungen benannt, und die ganze
Römische Kirche weihte ihn sich, obgleich er widerstrebte, unter dem
Namen Paschalis zum Hirten.
Im Jahr des
Herrn 1100. Unter Herzog Gottfried, der die Kirche von Jerusalem
verteidigte, fand eine große Versammlung in Jerusalem statt, an
der alle Christen teilnahmen, sowohl die im Orient lebenden, wie
vor allem auch die Pilger, die sich in Antiochien oder in
Syrien, in Rohas und in Palästina niedergelassen hatten; am Fest
der Geburt des Herrn wurden dabei zahlreiche Bischöfe für die
umliegenden Gebiete geweiht, und in sichtbares Geschehen wurden
so die geheimnisvollen Prophezeiungen gewandelt: „Erhebe dich
und entzünde dein Licht, Jerusalem!“ und: „Freue dich,
Jerusalem, und feiert ein Fest alle, die ihr es liebt!“ und so
weiter. Als dann der Sommer kam und die Hitze zunahm, wurde die
Luft über Palästina vom Gestank der Kadaver verdorben. Manche
behaupten auch, die Barbaren hätten die Quellen mit Gift und die
Brunnen mit dem verdorbenen Blut der Gefallenen infiziert. So
entstand eine Seuche, die viele der Unseren, die ja unter
fremdem Himmel kämpften, hinraffte; unter anderem entriß sie
viel zu früh Gottfried, den die Kirche mit Tränen beklagen muß,
dem Volke Gottes, für das er mit väterlichem Eifer sorgte und
das er mit mütterlicher Zärtlichkeit liebte. Nur ein Jahr stand
er an der Spitze des Volkes Gottes; überwältigt von einer
längeren Krankheit, beendete er am 18. Juli in Christus sein
gegenwärtiges Leben voller Glauben und guter Werke. Übergeht man
einmal mit Schweigen alle seine sonstigen Vorzüge, an denen er
wahrlich reich war, so hatte er durch seine Güte sowohl die
Bewohner des Landes wie die Mitpilger sich in einem Maße
verbunden, daß kaum zu sagen war, ob ihn die Franken mehr
beklagten oder die Syrer und Griechen. Am Kalvarienberg, in der
Vorhalle der Kirche von Golgatha, steht sein Grabmal aus parischem Stein.
Zu dieser
Zeit saß Graf Balduin in Rohas, einer berühmten Stadt, die
zugleich ein Gebiet und Teil von Armenien ist, und hatte die
Herrschaft über jenes Volk erlangt, nachdem nämlich der
hochbetagte allerchristlichste Herr verstorben war, der ihn von Antiochia als Verteidiger zu sich gerufen und den in vielen
Kriegen erfahrenen Helden sogar als Sohn und Erben adoptiert
hatte. Von altersher stets bestürmt, hatte diese große Stadt sich
doch niemals den Heiden ergeben; denn sie wurde durch Mauern
fester als Menschenwerk, durch einen Fluß, der durch die Stadt
tost, durch ihre gesamte natürliche Lage und durch ihren
Reichtum an Bevölkerung und Lebensmitteln geschützt. Es liegt
nicht im Rahmen dieses Werkes und der zur Verfügung stehenden
Zeit aufzuzeichnen, wie oft der erwähnte Mann dort mit einer
Handvoll Kriegern eine große Menge Barbaren niederstreckte;
manchmal siegte er selbst noch als Besiegter, als er ein Heer
verloren hatte, führte er ein anderes von den Belagerungstruppen
vor Antiochia heran; den Ränken eines Türken namens Balduk, der
sich mit ihm in trügerischer Absicht verbündet hatte, entzog er sich mit List,
ließ ihn ergreifen und töten; wer das alles beschreiben wollte,
dem würde es eher an Zeit als an Stoff mangeln. Als er die Kunde
vom Tod seines Bruders Gottfried vernahm, vertraute er Stadt und
Volk seinem Verwandten Balduin dem Jüngeren an und zog mit etwa 300 Mann nach Jerusalem; Tausende von Heiden,
die ihm auflauerten, täuschte, bekämpfte und besiegte er, und
beladen mit Beute zog er unter Triumph in Jerusalem ein. Als man ihn bat und alle zustimmten, daß er ihr Fürst
sein möge, gab er sein Einverständnis; wenig später beugte er
sein Haupt über dem Grab des Herrn und unterwarf sich ihm zu
ewiger Knechtschaft. Damit den Heiden noch größere Furcht vor
den Christen
eingeflößt würde, wurde er an Pfingsten durch den Legaten des
Apostolischen Stuhles zum König geweiht und gekrönt.
Sodann führte er gegen die Küstenstädte Assur
und Cäsarea Krieg; er tötete die sarazenischen Einwohner und
erweiterte sein Reich zum Schaden des Königs von Babylon.
Erzbischof Wibert von Ravenna, der gegen Hildebrand-Gregor
eingesetzt worden war und als Papst Clemens genannt wurde,
verstarb; er war ein durch Klugheit, Beredtheit, Vornehmheit und
ehrfurchtheischende Persönlichkeit glänzender Mann, der
indessen weder in Rom noch Ravenna sein Amt gut versah; er
stieg, wenn auch gezwungen - wie man sagt -, gegen einen
lebenden Papst auf und überlebte drei Päpste, die
aufeinanderfolgten, während er von beiden Sitzen, Rom und
Ravenna, ausgeschlossen war und lieber, wie wir ihn selbst sagen
hörten, niemals den apostolischen Titel angenommen hätte.
Im
Jahr des Herrn 1101. Der junge König Konrad hatte während seiner
Regierung in Reichsitalien stets von dem Rat der Mathilde - sie
war eine große und hochedle Frau, die, wie einige sagen, nach
der Regel lebte und ihm durch Blutsverwandtschaft und nahen
Umgang verbunden war - sowie des Papstes und der übrigen
Gottesfürchtigen Gebrauch gemacht; nun aber ging er im neunten
Jahr der Trennung von seinem Vater unerwartet, gläubig und nach
guter Beichte aus dem vorübergehenden Reich in das ewige Reich
ein, wie man wohl glauben darf. Manche behaupten auch, er sei
durch Gift umgekommen. Anwesende bezeugen immer wieder, sie hätten beobachtet, wie auf dem Arm des entseelten
Körpers sofort das Zeichen des Kreuzes erschienen und sein Begräbnis durch
einige Wunder verherrlicht worden sei.
Von jemandem, der zu unserem Haus gehört, wurde ein Feuer in Gestalt einer
ziemlich großen Stadt beobachtet, das von West nach Ost flog.
Ein unglaublich großes Heer von kleinen Insekten, die wegen ihrer Ähnlichkeit
mit Zelten Falter genannt werden, flog drei Tage lang aus dem sächsischen Gebiet
nach Bayern ein.
Kurz darauf folgte ein volkreicher Heereszug, der sich an Zahl fast den früheren
vergleichen könnte; er wurde nun, da man vernommen hatte, daß die Dinge in
Jerusalem über Erwarten gut verlaufen seien, von den Völkern des Westens
vorbereitet, die zunächst zurückgeblieben waren, vor allem von denen, deren
Teilnahme zunächst Furcht und Mißtrauen, Mangel und Schwäche im Wege gestanden
hatten: Zuerst von den Bischöfen von Mailand, Pavia und den übrigen Lombarden,
etwa 50000 mit dem Kreuz Bezeichnete, danach von Deutschen der verschiedenen
Länder, schließlich auch von Aquitaniern unter Wilhelm von Poitiers
außer dem Volk etwa 30000 Gepanzerte. Die Lombarden durchzogen mit Erlaubnis des
Herzogs Heinrich Kärnten;
nachdem sie Ungarn
hinter sich gelassen hatten, verblieben sie den Winter über in den Städten
Bulgariens,
und dort begann ihre Zahl dahinzuschwinden; als sie endlich nach Konstantinopel
gelangten,
wurden sie sogleich - diese Wohltat pflegte der vermaledeite Alexius den Fremden
nämlich möglichst schnell zu erweisen - auf das andere Ufer übergesetzt und den
Pfeilen der Heiden ausgesetzt. Sobald die Türken nämlich die Untauglichkeit der
Lombarden erkannt hatten, droschen sie diese wie Stroh, so daß das deutsche
Heer, das denselben Weg nahm und Anfang Juni bei der Hauptstadt anlangte, nicht
mehr erfahren konnte, was mit seinen Vorgängern geschehen war; denn kein
Überlebender kehrte mehr aus Rum zurück.
Vom Eintritt in Bulgarien oder von der ersten Stadt in Bulgarien an bis zum Sitz
des Alexius kamen uns ständig dessen Friedensboten entgegen, die uns eine Welle
voranzogen oder uns begleiteten, dann aber verschwanden, wie Asche verweht.
Seine Truppen, die sie Petschenegen nennen, bedrängten uns bald im Rücken, bald
versuchten sie, von der Flanke auf uns einzudringen, bald im Frontalangriff mit
uns handgemein
zu
werden, bald bei Nacht das Lager zu überfallen; stets aber waren sie uns zwanzig
Tage lang nah und beunruhigten uns, bis wir uns während
des Aufenthaltes bei
dem genannten Ort mit der Schar Herzogs Welf
und dem Heer Wilhelms und weiteren Gruppen, die täglich dazu stießen,
vereinigten und innerhalb von fünfzehn Tagen auf 100000 Mann anwuchsen. Von den
vielen Angehörigen der einzelnen Gruppen empfing Alexius die Fürsten, die er
nach seiner Gewohnheit als Söhne bezeichnete; nach dem Empfang von Handschlag
und Eidesleistung, wie das auch bei den früheren Heeren der Fall gewesen war,
ließ er Geschenke verteilen, für die Armen aber ließ er außerhalb der Stadt
Almosen verteilen und einen Markt einrichten. Denn aus Argwohn wurde im ganzen
Reich nur sehr wenigen Personen, und auch diesen nur gegen Geld und verstohlen,
der Eintritt in eine Stadt, eine Burg oder eine Befestigung gestattet. Deshalb
wurden auch Wilhelm und sein Heer daran gehindert, durch Adrianopel zu ziehen,
durch das die Heerstraße hindurchführt; die Aquitanier aber in der ihnen eigenen
hochfahrenden Art empörten sich, erhoben den Schlachtruf, setzten die Vorstädte
in Flammen und griffen die Stadt an; während sie diese heftig bestürmten,
wehrten sie zugleich das Heer der Petschenegen im Rücken ab, das - wie gesagt -
auf Befehl des Kaisers stets den Zug beobachtete; mit ihnen handgemein geworden,
erschlugen sie viele, verloren auch selbst zahlreiche Leute und zogen endlich
auf dem nun schon verhaßten Weg weiter. Das ganze zahlreiche Volk beschloß, den
Weg durch Rum zu nehmen, und jeder kaufte, was er für den Marsch durch die Wüste
benötigte; halb gezwungen, halb freiwillig setzten wir über den Meeresarm, der
Arm des h1. Georg genannt wird, während wir mit Hangen und Bangen warteten,
welches Ergebnis die täglichen Zusammenkünfte der Fürsten und deren tägliche
Verhandlungen mit dem Kaiser haben würden. Doch plötzlich erhob sich das
Gerücht, der verhaßte Kaiser neige eher den Türken als den Christen zu und
ermutigte sie, nach Auskundschaftung unserer Lage, durch häufige Boten gegen
uns. „Das ist“, so war zu hören, „dieser treulose Alexius, der mit Hilfe
einiger deutscher Söldner seinen Herrn Michael vertrieb und
dessen Reich an sich riß, dann aber die Helfer seines Verbrechens mit dem Exil
bestrafte und sie töten ließ; und nun sagt er, er lasse die Franken so mit den
Türken kämpfen, wie sich Hunde gegenseitig zerreißen.“ Als aber jemand eine
Flotte zusammenzustellen versuchte, vernahm er, der Kaiser habe den Pilgern auch
auf dem Meer Hinterhalte gelegt und durch diese Übeltat schon zahlreiche Schiffe
versenkt.
Deshalb verdammten und verfluchten ihn alle und nannten ihn in sämtlichen
Sprachen nicht mehr Kaiser, sondern Verräter. Es klingt unglaublich und denen,
die es selbst erlebt haben, ist es noch in der Erinnerung schrecklich, wie groß
in unserer deutschen Gruppe, der kleinsten von allen, die Verwirrung war, als
man sah, wie der Vater vom Sohn, der Bruder vom Bruder, der Freund vom Freund im
Leben bitterer getrennt wurden, als der Tod sie scheidet, wie der eine sich dem
Land, der andere dem Meer anvertraute, wie andere dagegen Schiffsgeld bezahlten
und eine oder zwei Nächte auf dem Schiff verbrachten, ihr Gepäck dann aber
wieder an sich nahmen, unter sehr großem Verlust wieder ans Ufer sprangen und
nun zu einem höheren Preis die Pferde, die sie neulich losgeschlagen hatten,
zurückkauften, um dem Tod zu entfliehen und dem gewaltsamen Untergang
entgegenzueilen. Auch wir selbst wurden durch die gleiche Unentschlossenheit
lange und schwer gequält, aber da die göttliche Güte unser armseliges Geschick
lenkte, erreichten wir endlich zusammen mit denen, die sich dem Meer
anzuvertrauen gewagt hatten, nach sechs Wochen
den Hafen von Joppe; gepriesen in allem sei Jesus Christus!
Sodann wandte sich
das Hauptheer - der Kaiser hatte 300 Turkopolen zur Verfügung gestellt, die die
Truppen einen geeigneten Weg führen sollten - nach Nikomedien; von dort nahm es
Richtung auf Rum und zog sodann nördlich gegen das Land Gorrizim, die Heimat der
Türken. Die Städte in Rum, die an der Heerstraße lagen, hatte der meineidige
Alexius verwüsten lassen; dagegen hatte er es nicht gewagt, den Unsrigen Hilfe
zu schicken, wie er geschworen hatte, als sie Antiochia
belagerten; seitdem beargwöhnten ihn
Franken wie Türken gleichermaßen. Dieses Heer wollte sich einen Namen unter den
Völkern machen gleich dem früheren, aber wie der Ausgang bestätigt, gefiel das
der göttlichen Vorsehung nicht. Denn wenige Tage zuvor hatten die Heiden, wie
erwähnt, ihre vorher stumpfen Schwerter in dem eben noch warmen Blut der
Lombarden gehärtet; dadurch ermutigt wagten sie es, diesen zahllosen Kriegern
Widerstand zu leisten. Kaum mehr als 4000 Türken, aber ausgesuchte Leute auf
sehr schnellen Pferden und außerordentlich geschickt im Umgang mit Waffen,
Geschossen und im Bogenschießen, rückten heran,
um ihr Glück, beziehungsweise die
Tüchtigkeit eines unbekannten Heeres, mehr durch Auskundschaften als im offenen
Kampf, zu erproben. Deshalb plünderten sie zuerst nach Räuberart das Volk am
Schluß des Heeres, nahmen es dann gefangen oder töteten es; sodann ritten sie
über Seitenwege voraus und vernichteten durch Brand oder auf andere Weise das
Futter, zuweilen auch quälten sie das Heer, wenn es durch Binsen oder Ried
dahinzog, den ganzen Tag durch Feuer oder Rauch; zuweilen machten sie Quellen
oder Brunnen versiegen, von gesicherten Stellen aus belästigten sie das Heer mit
Geschossen, bei Nacht brachen sie bald in diesen, bald in jenen Teil des Lagers
ein und beunruhigten alle. Bei alledem kämpften sie niemals in direkter
Schlacht, niemals offen nach Art der Krieger; sie wichen vielmehr zurück, sobald
sie Widerstand fanden, flohen vor Verfolgern und folgten erneut, wenn diese
umkehrten. Wenn wir diese Mühsal, die schlimmer war als jede andere Mühsal,
vollständig zu beschreiben versuchten, würden wir Möglichkeit und Maß
überschreiten, falls wir nämlich berichteten, wie viele Adlige schimpflich, wie
viele Reiche durch Mangel, wie viele Tapfere ohne Schwert umkamen, während dem
Herrn nicht einmal ein anwesender Diener, dem Reichen nicht einmal eine
ausreichende Geldsumme helfen konnte und es dem Tapferen nicht vergönnt war zu
kämpfen. Die Stätten, wo die Ränke des Verräters Alexius das zahlreiche Volk
Gottes einkerkerte, waren eng,
unwegsam und unbewohnbar, den Feinden bekannt, den Unseren unbekannt. Was
weiter? Fast zwanzig Tage lang den Pfeilen wie eine Zielscheibe ausgesetzt,
waren sie täglich wie Opferlämmer; endlich, als sie sich schon in aussichtsloser
Lage befanden, vertrauten sie sich bei Nacht den Gebirgswäldern an und suchten
den langsamen, doch sicheren Tod zu beschleunigen, wenn schon die Flucht den
wenigsten einen anderen Nutzen brachte, als daß sie das noch zögernde letzte
Schicksal aller vollendete. Wir glauben nämlich nicht, daß von dem zahllosen
Volk Gottes mehr als 1000 Männer übrigblieben, die wir später bis auf die
Knochen abgemagert in Rhodos, Paphos und den anderen Häfen, einige wenige auch
in Joppe, gesehen haben; von ihnen starben Graf Bernhard und Graf
Heinrich von Regensburg
in Jerusalem,
Herzog Welf dagegen verschied auf der Rückreise und wurde in Paphos
beigesetzt. Aus der langen Geschichte ihrer Martern, die hier darzulegen die
Eigenart dieses zusammenfassenden Werkes nicht gestattet, berichteten sie, daß
aus der Zahl unserer Leute Erzbischof Thiemo
von Salzburg gefangen, die Markgräfin N. erschlagen worden, zwei Kanoniker namens Bruno,
vornehme
Männer, infolge Hungers und Durst verstorben seien; von den lateinischen Fürsten
aber - so sagten sie - hätten Wilhelm,
Raimund und
Stephan und
von den übrigen ein Teil überlebt.
Während dies geschah,
blieben auch die Christen in Judäa nicht verschont; die Bewohner von Askalon und
Damaskus waren täglich auf Räubereien und die Babylonier auf Krieg aus. Nach dem
ersten Mai schlug das babylonische Heer unweit von Rama
sein Lager auf; König Balduin stellte ihm seine Truppen entgegen und ermahnte
die Seinen: Wie sie wenige Tage zuvor durch Gottes Gnade mit einer kleinen
Schar zahlreiche Beute aus Arabien geholt hätten, so sollten sie auch nun der
Menge der Feinde nicht weichen. „Zu ihrem Verderben“, so sagte er, „wollen wir
leben, zu ihrem Untergang wollen wir sterben! Dies ist der Krieg, meine tapferen
Krieger, den wir einst wünschten, für den wir Heimat, Eltern und Frieden
aufgaben. Es ist eine Ehre, für das Erbe Christi gegen die Eindringlinge des
Heiligen Landes und die fremden Räuber zu kämpfen; solche Leute zu besiegen ist
keineswegs ungewiß, zu sterben ist ruhmreich. Ihnen legt das Vaterland die
Flucht nahe, uns die Ferne der Heimat den Sieg. Wir wollen beweisen, was sie
selbst behaupten, daß die Franken den Tod nicht fürchten, daß sie vielmehr als
Pilger Christi entweder in Christus siegen oder für Christus sterben wollen.“
Nachdem er noch vieles dieser Art gesagt hatte, wich vor dem beherzten Mut
seiner Leute nach dem wunderbaren Willen des allmächtigen Gottes das unzählbare
Volk der Sarazenen vor wenig mehr denn einer Legion
der Unseren zurück; ja sie wagten nicht einmal mehr zu kämpfen, sondern blieben
nur noch wenige Tage in dem Lager und zogen sich dann schimpflich und ohne
Erfolg zurück. Um den ersten September, als das Gerücht von der Ankunft der
Christen, die wir vorhin erwähnten,
die Reiche Babyloniens erneut in Schrecken versetzte, berieten und beschlossen
sie unseren Untergang, das heißt aller derjenigen, die sich damals in Judäa und
all jenen Gebieten befanden; sie sandten also Briefe nach Damaskus, Tripolis,
Gibelet und in die anderen Barbarenstädte und bestärkten sich gegenseitig durch
ein Bündnis gegen die Christen. Infolgedessen rückte ein Heer von 40 000 Mann
von Babylon ab, um zunächst Joppe zu besetzen; es nahm von überallher
Bundesgenossen auf und lagerte dann in der Nähe von Askalon. Balduin aber
durchschaute das Vorhaben und rief seine Leute von Jerusalem, Nikopolis,
vom Berg Tabor, von Ebron, Cäsarea und Assur in Joppe zusammen, wo sich damals
eine ansehnliche Schar von Pilgern aufhielt.
In diesen Tagen
erlebten wir, wie ein solches Sterben - auch wir entgingen ihm kaum - unter dem
Volk wütete, daß bei 300 Leichen Tag für Tag aus Jerusalem hinausgetragen
wurden; in Joppe aber war in wenigen Tagen ein riesiges Feld von Gräbern
bedeckt. Schließlich wurde eines Tages
um die dritte Stunde außerhalb der Stadt Joppe eine Versammlung abgehalten, bei
der dem König das Kreuzesholz des Herrn voranzog, das lange in der Erde
verborgen war, bis es einige Syrer im vorigen Jahr dem Herzog Gottfried zeigten;
auf Befehl des Königs nahm ein gewisser Arnold,
ein ehrenwerter und gebildeter Kleriker, inmitten der Versammlung folgendermaßen
das Wort: „Selig das Volk, dessen Herr sein Gott ist, selig das Volk, das er
erwählte. Ihr,
liebe Brüder, seid jenes selige Volk, jenes heilige Volk; Ihr seid jenes Volk
des Erbes Christi,
das Volk, das besitzen wird;
Ihr, die Ihr alles verlassen habt,
Heimat, Eltern und Habe, die Ihr Tag für Tag Christus das Kreuz nachtragt
und für Christus Euer Leben dem Untergang weihtet. Ihr wart es, die zu kämpfen
schienen, aber Christus ließ sich herab, durch Euer Blut, das Ihr ihm aus freiem
Willen opfertet, und durch den kostbaren Tod Eurer Brüder und Mitstreiter den
Ort der Heiligung zu reinigen; Jerusalem, die Stadt seiner Ruhe,
wollte er
durch Euren ergebenen Dienst nach so vielen Jahren, die es in den Fesseln eines
schändlichen Volkes lag, befreien. ,Dies`, so spricht Gott, ist der Ort meiner
Ruhe in Ewigkeit; hier will ich wohnen, denn ihn habe ich mir erwählt.`
Gegenüber dieser Hoffnung, die uns durch göttliches Versprechen zugesichert
wurde, schaut den Brief der Heiden an,
der nach dem Willen Gottes den Boten, die man vorgestern aufgriff, abgenommen
wurde; er enthielt die teuflische Weissagung, wir müßten in diesem Jahr durch
ihren Kampf vernichtet, Jerusalem müsse völlig zerstört und - selbst Gottlose
schreckten davor zurück, solches zu sagen - der Fels des glorreichen Grabes des
Herrn müsse Stück für Stück zerschlagen, auf Kamelen zum Meer geschafft und an
völlig entlegener Stelle im Ozean versenkt werden, wo er niemals mehr von den
Christen heraufgeholt werden könnte. Seht daher zu, Ihr Christen, was getan
werden muß; erwägt, welches Ende diese Anmaßung haben soll!“ Als er noch mehr
sagen wollte, unterbrach ihn ein mächtiges Geschrei und brachte ihn zum
Schweigen, gleichsam wie aus einem Munde erklang einmütig die Stimme aller:
„Die Sache“, so riefen sie, „ist entschieden; kurz und gewissermaßen bündig ist
unser Rat: Entweder für Christus, das Gesetz Christi und für unsere heiligen
Rechte tapfer zu kämpfen oder schimpflich zu sterben; entweder steht uns bevor,
glorreich zu sterben und ewig zu leben oder es bleibt uns, voller Schande zu
weichen und nach einem kurzen und schändlichen Leben den ewigen Tod zu gewinnen.
Aber weder in der Zeit noch in Ewigkeit darf leben, wer gegen diese unheilige
und gotteslästerliche Frechheit der Heiden nicht kämpfen mag.“ Darauf bekannten
sie vor dem Kreuz unserer Erlösung
einmütig und in Demut ihre Sünden, und nachdem die Lossprechung erfolgt war und
sie vom päpstlichen Legaten,
der zufällig
anwesend war, den Segen empfangen hatten, kehrten sie heiter und die Hilfe des
Herrn anrufend ins Lager zurück; sodann wurden am frühen Morgen etwa 7000 Mann
zu Fuß und 1000 Ritter
ausgewählt, die sich der ungeheueren Gefahr
mit großer Freude darboten. Als sie des Lagers der Barbaren ansichtig wurden, da
begannen sie - es klingt wie ein Wunder! - mit solchem Vertrauen erfüllt zu
werden, daß kein einziger zweifelte, er könne allein so viele Legionen
niederstrecken. So kam es, daß die ganze erste Abteilung, da sie ungefähr eine
Meile ohne Ordnung und wenig vorsichtig gegen die Feinde anstürmte, von der
Flanke angegriffen und aufgerieben wurde. Da ergrimmte Balduin in seinem Herzen
und er drang nun in einem so ungestümen Reiterangriff auf sie ein, daß sie,
obgleich sie durch die Antworten ihrer Götter siegessicher geworden waren und
heftiger als jemals zuvor Widerstand leisteten, vor ihm dahinschmolzen wie das
Wachs angesichts des Feuers. Der verehrungswürdige Abt Gerhard,
der damals das Kreuz des Herrn stets an der Seite des Königs trug, erzählte mir,
er habe niemals Schnee oder Regen in solcher Dichte fliegen sehen, wie damals
die Geschosse auf den König; aber nach dem Anblick des kostbaren Holzes habe
keiner der Feinde mehr zu den Geschossen oder Waffen Zutrauen gehabt, vielmehr
hätten alle insgesamt Rettung in der Flucht gesucht. Nachdem ihnen Gott, für den
es keinen Unterschied macht, durch viele oder wenige Rettung zu schaffe,
solchen Sieg geschenkt hatte und sie nun das Lager der Feinde plünderten,
erschien ein Bote aus Joppe und berichtete, die Stadt werde zu Lande und zu
Wasser belagert. Sie beluden sich mit Beute, übergaben alles übrige den Flammen
und eilten uns möglichst schnell zu Hilfe; denn wir wurden bereits, nachdem die
Tore innen verrammelt worden waren, zu Lande von zahlreichen Reitern, zu Wasser
dagegen von 42 Schiffen belagert.
So ließen sie uns nach so manchem feindlichen Angriff und solcher Mühsal durch
Mangel und Seuche das Fest der Geburt der Gottesgebärerin,
das wir an diesem Tag mit Trauer begannen, mit größtem Jubel beenden. Am
nächsten Tag brachten uns 30 Schiffe überreichlich Getreide und Lebensmittel;
mit ihnen kamen rund 12000 Pilgerbrüder. Als die feindliche Flotte sie
anzugreifen suchte, zwang Gottes wunderbare Macht sie durch die Kraft des
heiligen Kreuzes nieder; da ihnen nämlich aus der Stadt keine menschliche Hilfe
gebracht werden konnte, wurde es auf Befehl des Königs hoch aufgerichtet, und
nun konnte durch keine Anstrengung und durch keine Ruderkunst auch nur mehr ein
Schiff von der Stelle bewegt werden; darüber erstaunten Heiden und Christen
sehr.
Es soll auch nicht verschwiegen werden, was, wie wir erfahren haben, in
demselben Jahr dort geschah und was der ehrwürdige Priester Hermann
der sich damals auf dem Ölberg aufhielt, folgendermaßen berichtete: „Am
Karsamstag“,
so sagte er, „an dem wir, weil der barmherzige Gott schon früher diesen Trost
gewährte, nach der Tauffeier
in großer Ehrfurcht darauf warteten, daß uns das Licht vom Himmel erscheine,
beteten wir inständig bis zur Vesper die gewohnten Gebete; doch wegen unserer
Sünden bemühten wir uns damals vergeblich um das ersehnte himmlische Geschenk,
das sogar im Angesicht der Heiden einst die Christen vor uns immer zu empfangen
pflegten, und
ohne jeden feierlichen Gottesdienst brachten wir die Nacht der Auferstehung des
Herrn ausschließlich mit Trauer und Klagen zu. Am frühen Morgen
aber zogen wir unter Litaneien und barfüßig vom Grab des Herrn fort in den
Tempel des Herrn auf dem Berg Moria, auf dem Grundstück des Orna, wo, wie wir
lesen, David
in größter Bedrängnis erhört und Salomon
verheißen wurde, daß alle erhört würden, die dort mit ehrfürchtigem Herzen
beteten. Hier baten wir unter Tränen, Christus möge uns doch nicht zu einer
Lästerung seines Namens bei den Heiden machen,
indem er uns verlasse, und bald darauf, wir waren noch in der berühmten
Vorhalle, siehe, da hörten wir uns zum Zeichen laut tönende Lobeshymnen
derjenigen, die zurückgeblieben waren, uns entgegenhallen, und als wir dann in
die erwähnte Kirche eintraten, wurden wir mit übergroßer Freude zweier Lampen
gewahr, die vom Himmel her angezündet worden waren. Was weiter? Angefangen von
der Tauffeier, bei der wir am Vortage aufgehört hatten, erfüllten wir mit
freudigster Ehrerbietung den gesamten uns obliegenden Dienst, der Gott so lange
vorenthalten war, bis zum Ende der Messe; als wir hinausgegangen waren, wurden
während der Messe der Syrer, die stets nach unserem Auszug in demselben Chor zu
feiern pflegen, andere Lampen auf übernatürliche Weise entzündet, vor der Vesper
aber und während der Hymnen in der Vesper wurden diese Lichter sichtbar bis auf
sechzehn vermehrt; so kam es, daß es in Jerusalem nur wenige Christen oder
Heiden gab, die behaupteten, sie hätten die so offensichtliche Macht Christi
nicht gesehen.“
Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters,
Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Band XV, herausgegeben von
Rudolf Buchner, Darmstadt, 1972.