23. Oktober 2012

Herr Udo T. schrieb: Sehr geehrter Herr  Hiebl,

Sie haben Wilhelm von Tyros' Geschichte der Kreuzzüge online gestellt, wofür ich Ihnen sehr danke. Mich interessiert Wilhelms Blick auf die ihm begegnenden Religionen (im Hl. Land). Bringt er  überhaupt etwas religionswissenschaftlich Nennenswertes, und vor allem wo? Ob Sie mir wohl helfen  können?

Mit freundlichen Grüßen

Udo T.

Antwort: Sehr geehrter Herr T.,

ja, natürlich setzt Wilhelm sich mit dem Islam auseinander, allerdings dem Tenor der Zeit folgend für das Christentum Partei ergreifend. Sie sollten wissen, daß Wilhelm von Tyrus ein umfassendes Werk über die Geschichte der Kalifen verfaßt hat, beginnend mit dem Propheten Mohammed, das leider in den Wirren der Kreuzzüge verloren gegangen ist. So etwas kann eigentlich nur ein Sachkenner verfassen. Man hat damals die Heilige Schrift wörtlicher genommen als heute, und wer nicht an Christus glaubte, war bereits ein Ungläubiger. Der Glaube an Gott allein reichte nicht aus, um dem wahren Gott zu huldigen und der richtigen Religion anzugehören.

So werden die Lehren des Propheten darin als Irrtümer dargestellt. Wilhelm von Tyrus war ja selbst Erzbischof und reiste mindestens einmal in seinem Leben nach Rom.

Wo die von Ihnen angesprochenen Stellen allerdings zu finden sind, das müssen Sie sich durch Lesen des Werks selbst erarbeiten. Ich weiß es erstens nicht auswendig, und zweitens werde ich nicht dafür bezahlt, daß ich mir die Mühe mache und Sie dann die gute Note bekommen. Drittens gibt es ja bequeme Suchmaschinen, zumindest für Html-, Word- und Pdf-Dokumente. Unter den Stichwörtern Prophet, Mohammed, Glaube, Ungläubige können Sie in der Pdf-Version den gesamten Text in einem Zug durchscannen. Dann werden Sie direkt zu den relevanten Stellen hingeführt. Wie Sie die Aussagen dann interpretieren, bleibt Ihnen überlassen. Ich warne allerdings vor falschen Vorstellungen. Ich habe nicht »den Text« ins Netz gestellt, sondern eine Überarbeitung des Textes vorgenommen, welche die Übertragung in die ältere deutsche Rechtschreibung einschließt. So mancher Satzbau mußte total umgestellt werden, die Grammatik und Zeichensetzung von damals gibt es so heute nicht mehr. Der Text ist urheberrechtlich mein Werk und somit geschützt. Verfallen Sie sich bitte nicht auf die Idee, ihn unzitiert einfach zu übernehmen. Der Schwindel würde auffliegen. Sie haben natürlich das Recht, den Text zu Forschungszwecken beliebig zu verwenden, aber dann bitte mit Hinweis auf meine Urheberschaft und dem Vermerk »bearbeitet von«, denn alles andere wäre übertrieben.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hiebl


16. Mai 2012

Herr Dennis A. schrieb: Sehr geehrter Herr Hiebl,

ich beschäftige mich im Rahmen einer Hausarbeit mit dem ersten Kreuzzug. Das spezielle Thema lautet: »Zentrum und Peripherie Die Kommunikation des ersten Kreuzzugsaufrufs.« Natürlich ist es leicht, Quellen zum Aufruf in Clermont zu finden. Mich interessiert aber mehr der Kommunikationsprozeß, also die Frage, wie die Initialzündung von Clermont unter den Bedingungen der mittelalterlichen Informationsmöglichkeiten in die Region ausgestrahlt hat. Anders als heute gab es ja keine Massenmedien, die das Wort Urbans in alle Winkel Europas getragen hätten. Haben Sie diesbezüglich einen Quellen-Tip?

Herzlichen Dank und mit freundlichen Grüßen

Dennis A.

Antwort: Sehr geehrter Herr A.,

manchmal frage ich mich schon, mit welcher Hirnlosigkeit Lehrer und Professoren heute ihre Themen vergeben. Die einzige Art der Kommunikation zur damaligen Zeit war die mündliche Überlieferung. Einer erzählte es dem anderen. Dazu gibt es keinerlei Literatur. Lassen Sie sich durch solche Beeinflussungen von Unkundigen nicht irritieren, denn diese wissen meist nicht, wovon sie reden.

Geben Sie das Thema an den Aufgabensteller zurück und fragen Sie ihn, ob er etwa glaubt, daß es zur damaligen Zeit schon Satellitenkommunikation gab. Eine Nachricht breitete sich mit der Geschwindigkeit des Pferdes aus, nicht schneller. Die Wege waren beschwerlich und gefährlich. Noch in meiner Jugend waren die Wirtshäuser die einzigen Informationsquellen, und Zeitungen gab es im Mittelalter noch nicht. Es waren stets die Reisenden, meist in geschäftlicher Mission, welche die Neuigkeiten verbreiteten. Außer Kaufleuten und Adligen, die zu Kriegszügen aufbrachen, gab es keinerlei postalische Übermittlung. Man muß nur den gesunden Menschenverstand einschalten, um zu begreifen, daß das Thema, welches Ihnen gestellt wurde, gar keine Lösung haben kann, denn die einzigen, die damals der Schrift kundig waren, waren die Geistlichen. Das gemeine Volk einschließlich Kaiser konnte weder lesen noch schreiben. Chronisten waren dünn gesät und erreichten die breite Masse kaum. Wer diese erreichte, waren die Pfarrer, die von der Kanzel herab wetterten. Es waren also hauptsächlich die klerikalen und ritterlichen Wege, auf dem sich Nachrichten verbreiteten. Fahrende Sänger sind ein Teil dieser Truppe, aber sie haben die Wahrheit dichterisch und schauspielerisch verbrämt. In vielen Ritterdichtungen der damaligen Zeit finden sich versteckte Hinweise auf die Kreuzzüge. Aber die Minnesänger gaben nur ihre Sicht der Dinge weiter, nicht die objektive Wahrheit. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit, und das meine ich wirklich ehrlich, denn Sie sind aus meiner Sicht nicht zu beneiden, da Sie dazu wohl kaum Quellen finden dürften. Ich kenne jedenfalls keine und muß mir auch erst meinen Reim darauf machen.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hiebl


5. August 2011

Frau Stefanie B. schrieb: Sehr geehrter Herr Hiebl,

ich schreibe gerade eine Hausarbeit im Bereich der Kreuzzüge und bin dabei im Internet auf Ihre Homepage gestoßen. Sind die Quellen, die sie bereitstellen, wirklich übersetzte Originalquellen oder verfälschte, selbst interpretierte Versionen?

Die Sammlung ist super strukturiert und sehr hilfreich, bloß wäre es problematisch, wenn die Inhalte nicht stimmen. Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie mir schnell zurückschreiben können.

Mit freundlichen Grüßen

Stefanie B.

Antwort: Sehr geehrte Frau B.,

leider weiß ich nicht, was Sie mir damit sagen wollen und was eine Quelle von einer Originalquelle unterscheidet. Originalquellen sind allesamt auf Latein, die übrigen Quellen können bereits in eine andere Sprache übertragene Übersetzungen sein. Am Copyright kann man doch erkennen, wessen Arbeit was ist. Niemand wird doch eine Arbeit mit fremdem Copyright für sich beanspruchen. Nun frage ich Sie, welcher Übersetzer einer Originalquelle diese nicht selbst interpretiert. Bei jeder Übersetzung entstehen doch automatisch Übertragungsfehler, weil keine zwei Sprachen sich so sehr gleichen, daß man sie eins zu eins übernehmen könnte.

Was soll zudem eine wirkliche Übersetzung sein? Wenn die Sätze auf Deutsch dastehen, dann ist das doch nichts Unwirkliches, sondern im Gegenteil etwas sehr Reales. Je mehr Leute sich an einer Übersetzung zu schaffen machen, desto mehr Abweichungen wird sie am Ende aufweisen, weil sich Übertragungsfehler fortpflanzen. Wenn eine Übersetzung zunächst ins Englische vorgenommen wird und aus dem Englischen anschließend ins Deutsche, dann kann doch die deutsche Übersetzung nur so gut sein wie die englische. Für die Fehler anderer Autoren oder gar des Originalautors übernehme ich natürlich keinerlei Verantwortung. Außerdem ist es üblich, die Fehler des Originals mit zu übersetzen, in einer Fußnote dann aber darauf hinzuweisen, daß sich der Autor hier einer fehlerhaften Information bedient hat. Was jeweils als falsch oder richtig entlarvt wurde, ist in der Wissenschaft bekannt, manchmal können aber letztgültige Zweifel, wer von den Autoren nun im Recht ist, niemals ausgeräumt werden.

Der zweite Punkt, den Sie ansprechen, stellt die Frage, ob ich etwa durch die Verbreitung von Unwahrheiten bewußt die Geschichte verfälschen möchte. Diese Frage können Sie genausogut ihrem Lehrer oder sogar einer ganzen Generation von Historikern stellen, die einer bestimmten, anerzogenen Lesart folgen. Hierbei rate ich Ihnen, sich besser ein eigenständiges Bild zu verschaffen und die zweifellos unverfälschten Originaltexte selbst zu übersetzen. Ohne die Kenntnis des Lateinischen kann dies aber nicht gelingen. Es erschließt sich mir nicht, wie ein Pädagoge jemandem eine Aufgabe stellen kann, die dieser ohne die angesprochenen Voraussetzungen gar nicht erfüllen kann. Dabei kommt es mir so vor, als ob es hier gar nicht um historische Wahrheiten geht, sondern um die Notwendigkeiten des Zusammenlebens in einer multi-kulturellen Gesellschaft unter Mißbrauch des Fachs Geschichte als politisches Instrument. Insofern schätze ich mich glücklich, wenn meine subjektive »Interpretation« von der offiziellen, aufoktroyierten Lehrmeinung abweicht.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hiebl


19. Dezember 2007

Herr Max S. schrieb: Sehr geehrter Herr Hiebl,

durch Zufall bin ich auf Ihre Homepage gelangt, zu der ich Ihnen teilweise gratulieren will. Gerade Ihre Geschichtsseite ist, soweit ich dies überblicken kann, auch aus Sicht eines Historikers gelungen. Insbesondere gefällt mir, daß Sie Quellentexte angeben. Die Illustrationen, die Bilder des Wandteppichs von Bayeux allerdings irritieren, da sie ja historisch nicht passen.  Die Religionsseite, v. a. wenn man vorher die Berichte und Quellen zu den Kreuzzügen gelesen hat, entsetzt mich. Sie schreiben über den Koran: »Der Koran trug dazu bei, daß sich der Islam mit Feuer und Schwert anstatt mit Überzeugung über die gesamte bewohnte Welt ausgebreitet hat. Seine damaligen Anhänger tragen die Schuld an den Kreuzzügen.«

Als Historiker möchte ich an das Missionsverbot der Muslime während der islamischen Expansion erinnern, das besagt, daß Juden und Christen nicht zur Annahme des muslimischen Glaubens gezwungen werden dürfen. Des weiteren ist Angehörigen beider Glaubensrichtungen auch verboten, freiwillig die muslimische Religion anzunehmen. Die Expansion des Islams war keinesfalls religiös, sonder rein machtpolitisch motiviert. Sie benutzen die Formulierung »Feuer und Schwert«. Diese ist aber auf die christliche Mission beschränkt, ich möchte hier an die Sachsenkriege Karls des Großen erinnern, an die Katharerfeldzüge oder auch an die Mission der Indios in der Neuzeit. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn Sie behaupten, die Muslime trügen Schuld an den Kreuzzügen. Diese Aussage ist bar jeden Fünkchens historischer Wahrheit. Ein Blick in die von Ihnen angeführten Quellen ergäbe, daß die historischen Tatsachen genau andersherum richtig sind. Schließlich drangen – zunächst religiös motiviert – die Christen des Abendlandes in das Morgenland ein. Daß z. B. die Päpste auch an einer friedlichen Lösung nicht interessiert waren, beweist der Druck, den Innozenz IV. auf Friedrich II. ausübte, damit er seinen geschworenen Kreuzzug beginnt. Die friedliche Verhandlungslösung jedoch lehnte der Papst ab. Des weiteren schreiben Sie, daß sich der Islam über die gesamte damalige Welt ausgebreitet hat. Dies ist eine etwas eingeschränkte Sichtweise, da z. B. Europa, trotz der Enklave in Spanien, niemals islamisiert worden ist. Ich könnte an dieser Stelle noch eine Fülle von Belegen anführen, diese Beispiele sollten aber genügen.

Ihre Worte aber sind dazu geeignet, weniger gebildete Menschen in ihren Vorurteilen Ausländern und Angehörigen des Islams gegenüber ungerechtfertigt zu verurteilen und zu diskriminieren. Insbesondere die Auswahl von Zitaten ohne Zusammenhang ist mehr als problematisch. Überlassen wir doch die Auslegung theologischer Texte den Theologen bzw. den Islamwissenschaftlern.

Da ich glaube, daß Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierung unserer islamischen Mitbürger auch Ihrem Wunsche nicht entsprechen kann, möchte ich Ihnen raten, ein gutes historisches Handbuch zu Rate zu ziehen, schon allein um meine Aussagen überprüfen zu können, und im Anschluß daran, Ihre Homepage einer letzten inhaltlichen Korrektur zu unterziehen.

Trotz meiner Kritik bin ich Ihnen aber für diese Zeilen dankbar, da ich als Lehrer gerade den Kreuzzug und seine Beurteilung durchnehme und das obige Beispiel sehr gut geeignet ist, Geschichtsklitterungen zu zeigen. Ich werde selbstverständlich Ihren Namen nicht angeben.

Mit freundlichen Grüßen

Max S.

Antwort: Sehr geehrter Herr S.,

es ist mir stets ein Freude, mich zu verteidigen, wobei ich zu denen gehöre, die sofort angreifen, weil Angriff die bessere Verteidigung ist. Ich möchte mich allerdings mit Ihnen nicht in eine Wertediskussion einlassen, die müssen Sie mit dem lieben Gott austragen.

Um nicht gleich wieder in eine Verteidigungshaltung zu geraten, übergehe ich die Kritik am Wandteppich von Bayeux. Ich habe das Motiv gewählt, weil es die normannische Tracht zeigt, dies erschien mir passend. Auch eine Diskussion über den Koran erscheint mir unwissenschaftlich, denn von einem Historiker erwarte ich, daß er sich über Geschichte unterhalten will, und nicht über Theologie. Im übrigen verstehe ich natürlich, daß Sie als Lehrkraft an den Schulen nichts gegen den Islam sagen dürfen, weil Sie ja sonst Prügel beziehen könnten.

Ich stand selbst einmal vor der Entscheidung, ob ich Geschichte studieren sollte oder besser Mathematik: ich entschied mich für das schwierigere.

Wenn ich mir die Fülle Ihrer Widerlegungsversuche ansehe, bin ich geneigt, gemäß den Grundregeln der Rhetorik, auf sachliche Vorträge persönlich zu reagieren. Die Anschuldigung könnte lauten: Sie setzen sich für Minderheiten im Lande ein und wollen dazu die Geschichte verfälschen. Geschichte ist aber die Lehre von den Eroberungen. Danach habe ich gelernt, daß der Islam sich seit dem Auftreten des Propheten Mohammed systematisch über das gesamte Römische Reich auszudehnen versucht hat. Der ganze Nahe und Mittlere Osten war im Römischen Reich christlich, das Christentum war Staatsreligion. Es schmerzt mich, daß ich Ihnen solche grundlegenden Dinge in Erinnerung rufen muß. Dort, wo die Mohammedaner einfielen, hatten die Christen bald nichts mehr zu lachen. Ob Sie es nun Ausbreitung der Macht nennen oder Ausbreitung der Religion, spielt dabei keine Rolle. Karl Martell hat die Invasion der Araber zwischen Tours und Poitiers, also im Herzen Frankreichs, erst einmal zum Stehen gebracht. Glauben Sie, daß man den Leuten Schokolade angeboten hat, um ihnen schmackhaft zu machen, wer jetzt die neuen Herren sind? Was haben Kalifate in Spanien verloren, das seit alters Siedlungsgebiet der Kelten war und später von Westgoten, d.h. Germanen, besiedelt wurde? Sie meinen, weil es Xerxes mit 1000facher Übermacht gelungen ist, ein elendes Häufchen von Griechen vor den Thermopylen zu vernichten, hätte die persische Kultur ein Anrecht darauf, nach Europa vorzudringen und zu diktieren, was weiterhin zu geschehen habe? Es macht Ihnen offenbar nichts aus, daß die Seldschuken die griechische Kultur aus Kleinasien weggefegt haben und die Türken das Byzantinische Reich mit europäischen Kanonen erobert haben? Sie wollen auch nicht einsehen, daß meine Heimatstadt Burghausen mit der längsten Burg Deutschlands als Bastion gegen die Türkengefahr ausgebaut wurde, weil der kranke Mann am Bosporus bereits vor Wien stand.

Und nun zu den Kreuzzügen, meinem Lieblingsthema: Karl der Große hatte zum Kalifen Harun al-Raschid ein sehr gutes Verhältnis, weil man zu dieser Zeit den Pilgern den Weg an die Stätten des Erlösers offenhielt. So versehentlich, wie deutsche Bomben einst auf britische Wohngebiete fielen (woraufhin man nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit ganz Deutschland niedergebombt hat), so versehentlich traf bei Papst Urban damals ein Brief von Kaiser Alexius ein, daß es den Christen im Morgenland übel ergehe, daß man ihnen wegen ganz geringer Vergehen die Barthaare ausraufe und ihnen wegen ihres falschen Glaubens alle erdenklichen Steuern und Frondienste auferlege und sonstige Schikanen bereite. Der Papst als der Oberhirte der Christenheit konnte gar nicht anders handeln, als daß er dazu aufrief, den Glaubensbrüdern im Osten zu Hilfe zu eilen. Zudem handelte es sich ja um Ungläubige, d.h. um solche, die nicht an die Tatsache, daß Jesus Gottes Sohn ist, glaubten. Es gibt Hunderte von Stellen in der Bibel, wie es den Ungläubigen ergehen wird; das Wort Liebe hingegen taucht im ganzen Evangelium nur dreimal auf, ist also völlig unbedeutend.

Die Byzantiner hatten damals ein vehementes Interesse daran, die Teile des Römischen Reichs, die ihnen weggenommen und islamisiert worden waren (der Islam war nun einmal Staatsreligion, und Politik und Religion sind nach islamischer Auffassung nicht zu trennen), zurückzubekommen, und erst nach Unterstützung durch die Kreuzritter machten sie ihre Rechte geltend. Der erste Kreuzzug war ein Befreiungsfeldzug gegen die Bedrohung der Christen im Orient durch die Sarazenen, die die Heilige Stadt besetzt hielten. (Diese Auffassung hat sich mittlerweile auch in Wikipedia durchgesetzt.) Natürlich wollte man Jerusalem nicht den Griechen zurückgeben, weil sie sich verräterisch gezeigt hatten. Nach der Befreiung von den Ungläubigen und Errichtung des Königreichs Jerusalem kam dieses als Lehen der Könige von Zypern schließlich an den deutschen Kaiser. Israel und Syrien sind Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und gehören rechtmäßig den Staufern bzw. deren Rechtsnachfolgern. (Friedrich II. von Hohenstaufen trug als letzter den Titel König von Jerusalem. Er hatte die Stadt auf dem Verhandlungswege, d.h. ohne jedes Blutvergießen, zurückgewonnen.)

Man kann den Sieg über das Dritte Reich auch schlecht als Befreiung von den Nationalsozialisten feiern, die Befreiung der Christenheit von der sarazenischen Knechtschaft aber umgekehrt verdammen. Das paßt nicht zusammen. In der Tat lebten die Christen im damaligen Jerusalem wie die Juden im Warschauer Ghetto, begrenzt auf ein Viertel der Stadt. Außerdem sollten Sie wissen, daß die Kreuzzüge trotz dieses gutgemeinten Befreiungsversuchs verloren gingen. Sie dürfen das Leben eines Ungläubigen nicht mit heutigen Menschenrechten verwechseln, es war damals nichts wert. Ihre Auffassung über die Kreuzzüge ist völlig veraltet, das dürfen Sie den Schulkindern niemals vermitteln. Ihr Wissen basiert auf dem, was man Ihnen beigebracht hat, dieser Stand der Wissenschaft ist heute überholt. Mit multi-kultureller Befangenheit läßt sich Geschichte nicht vermitteln, ich als Naturwissenschaftler bleibe da lieber bei der Wahrheit.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hiebl


26. Mai 2007

Betreff: Bohemund von Tarent

Sehr geehrter Herr Hiebl,

mit großer Freude habe nun auch ich Ihre Website im Internet entdeckt und kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich für die Übersetzung der Gesta Francorum bin!

Ich habe gesehen, daß Sie auf Fragen von Interessenten eingehen und traue mich nun auch, zwei für mich sehr wichtige Fragen zu stellen:

Ich habe ein Hauptseminar an der Universität belegt mit dem Titel: »Die Normannen in Unteritalien«. Mein Referats- und Hausarbeitsthema bezieht sich allerdings auf den ersten Kreuzzug und den Protagonisten Bohemund I. von Tarent. Um das Thema möglichst umfassend darzustellen, möchte ich genauer auf den Eid der Kreuzfahrer an Alexios eingehen und ihn für meine Tischvorlage verwenden. Leider habe ich den Originalwortlaut bisher in keiner Quelle gefunden und auch mein Dozent konnte mir nicht weiterhelfen. Daher wende ich mich an Sie mit der Bitte um eventuelle Tips, wo ich ihn noch finden könnte.

Ich habe mich ebenfalls mit dem Mausoleum von Bohemund in Canosa di Puglia beschäftigt und bin auf der Suche nach der Inschrift desselben. Außer der Information, es sei nur eine schlichte Grabplatte mit der Aufschrift »Boamundus«, konnte ich auch hier nichts finden. Haben Sie vielleicht eine Idee?

Am Dienstag habe ich die ersten Ergebnisse meiner Arbeit meinem Professor vorgestellt, und wie das so ist, hatte er dies und jenes zu bemängeln. Insbesondere für die Heeresstärke Bohemunds interessierte er sich. Diese ist nun aber wirklich nicht genau zu benennen; und wenn die Quellen sprechen, dann weichen sie voneinander ab und Anna Komnena widerspricht sich in ihren Ausführungen sogar selbst.

Ich bedanke mich zunächst für Ihre Aufmerksamkeit und würde mich über eine Antwort von Ihnen freuen.

Liebe Grüße und ein schönes Pfingstwochenende wünscht

Sandra S.

Antwort: Sehr geehrte Frau S.,

wenn ich mich recht entsinne, gibt keine der Chroniken den exakten Wortlaut wieder, es gibt allenfalls Umschreibungen.

Nachfolgend dazu einige Hinweise.

Im X. Buch von Alexius' Tochter, Anna Komnena, heißt es: »Danach nun ließ er Bohemund zu sich kommen und ersuchte auch ihn um den bei den Lateinern üblichen Eid.« Dem entnehme ich, daß der Wortlaut so gehalten gewesen sein muß, daß nicht etwa eine griechische Eidesformel gesprochen worden wäre, sondern es muß sich um eine Textformel des abendländischen Lehenseides gehandelt haben, die hier zum Tragen kam. Raimund von Agiles äußert sich wie folgt: »Nach dem überaus ehrenvollen Empfang von Raimund durch Alexius und seine Fürsten verlangte der Basileus vom Grafen Huldigung sowie einen Eid, den ihm auch die andern Fürsten geschworen hatten.«

Und weiter: »Bohemund verpflichtete sich Alexius gegenüber sogar zur Unterstützung für den Fall, daß Raimund etwas gegen ihn unternähme oder wenn der Graf sich weiterhin dafür entschuldigte, nicht zu huldigen oder einen Eid zu leisten. An dieser Stelle schwor der Graf, einer Beratung mit seinen Provençalen folgend, daß er dem Kaiser weder persönlich noch durch andere nach dem Leben trachte noch ihn seiner Besitzungen berauben wolle. Als er wegen der Huldigung vorgeladen wurde, antwortete er, daß er nicht huldigen wolle, weil dadurch seine Rechte in Gefahr seien.«

Nachfolgend noch ein Hinweis über die Ereignisse bei dem Eid, den Bohemund vor Kaiser Alexius ablegte, aus den Gesta Tancredi des Ralph von Caen, Kap. X

Zur Grabplatte: Bohemund, der ja zu seinen Glanzzeiten der wohl berühmteste Ritter seiner Zeit war und mit dem französischen Königshaus verwandt war, ist ziemlich überraschend bei den Vorbereitungen eines neuen Kriegszuges in Apulien gestorben. Daß er nur eine einfache Grabplatte bekam, ist seiner ganz unwürdig, aber wahrscheinlich hatte er durch den gescheiterten Angriff auf Byzanz sein gesamtes Vermögen aufgebraucht, so daß seine Verwandten für seine Schulden einstehen mußten und ihn daher wie einen Gemeinen „unehrenvoll“ begruben.

Zur Heeresstärke Bohemunds: Lassen Sie mich Ihnen dazu folgende Plausibilitätsbetrachtung unterbreiten. Das Große Kreuzheer zählte, und darin stimmen die meisten Quellen überein, insgesamt 300.000 Mann. Teilen wir das Heer in sechs große Heerführer auf (Bohemund, Raimund, Gottfried, Stephan von der Normandie, Stephan von Flandern und Hugo von Vermandois) und teilen diese Zahl durch sechs, so ergeben sich pro Heerführer im Schnitt 50.000 Mann. Das Heer Bohemunds war etwas kleiner als das Gottfrieds, darin sind die Zeitzeugen sich einig. Wir unterteilen jetzt das Kontingent in Ritter und Fußvolk, wobei wir das Verhältnis nicht ganz 1:1 wählen können, weil für einen kämpfenden Ritter auch immer ein oder zwei Fußmannen für die Logistik (Troß, Nachschub) zuständig waren. Nehmen wir also an, das Verhältnis betrage 2:3, was nicht unvernünftig ist. Dann wären dies 20.000 Ritter und 30.000 Mann Fußvolk, Frauen und Kinder nicht eingerechnet. Nun brauchen wir uns nur noch einen guten Gewährsmann zu suchen, der uns diese Zahl bestätigt. Als der nicht am schlechtesten informierte Gewährsmann gilt Albert von Aachen. Nun müssen wir noch nachsehen, was Albert im 18. Kapitel seines 2. Buches dazu schreibt: „Da zog Bohemund mit 20.000 Rittern und einer großen Menge Fußvolk über Valona und Durazzo und andere Städte des bulgarischen Reiches heran und erschien mit großer Heeresmacht vor den Mauern der Stadt Konstantinopel.“ Wir können aufhören; wie Sie sehen, stimmt unsere Plausibilitätsbetrachtung aufs i-Tüpfelchen mit den Angaben überein. Mit ein wenig Logik und Kombinatorik haben wir es geschafft.

Ein frohes Fest wünscht

Manfred Hiebl


3. Dezember 2005

Betreff: Gesta Francorum

Sehr geehrter Herr Hiebl,

zunächst möchte ich Ihre sehr informierende Website loben, denn es ist relativ schwer, zeitgenössische Quellen zum ersten Kreuzzug zu finden. Meine Frage an Sie betrifft das erste Buch aus der Gesta Francorum: In welchem Jahr erreichte Peter der Emerit Konstantinopel? Ich würde mich über eine schnelle Antwort sehr freuen, da ich ein Referat zum ersten Kreuzzug bis Montag ausarbeiten muß. Danke.

Mit freundlichen Grüßen

Paul P.

Antwort: Sehr geehrter Herr P.,

nachdem der Ritter Walter Habenichts, einer der bekannteren Mitstreiter Peters des Eremiten, ihm mit einer Abteilung vorausgezogen war, erreichte Peter der Eremit mit seiner Schar Ende Juli 1096 Konstantinopel.

http://www.mittelalter-genealogie.de/_kreuzzuege/p/peter_der_eremit_1115.html

Vergessen Sie nicht zu erwähnen, daß „zwanzigtausend“ Ritter geweint haben, als sie die mit Pfeilen gespickten Leichen ihrer Brüder auf dem Schlachtfeld herumliegen sahen.

Wenn Sie im übrigen in der Lage sind, in zwei Tagen ein Referat auszuarbeiten über ein Thema, an dem ich zwei Jahre gearbeitet habe, dann stimmt etwas mit unserem Bildungssystem nicht. In zwei Tagen ist es bestenfalls möglich, Halbwissen unter die Menschen zu streuen.

Viel Erfolg

Manfred Hiebl


30. Juni 2005

Die Kreuzzüge aus muslimischer Sicht: Wow, ich bin richtig begeistert von dieser Homepage! Arbeite zur Zeit an einer Facharbeit über den ersten Kreuzzug. Bin dort durch ein Buch auf Ihre Homepage aufmerksam geworden. Schwerpunkt meiner Arbeit ist allerdings, den Kreuzzug in Gedächtnis und Erinnerung des Islam darzustellen. Da habe ich auch schon eine Frage: Könnten Sie mir sagen, wo ich am besten Quellen zu diesem Thema finde? Es ist meiner Meinung nach nicht leicht, Quellen zu finden, die einen Einblick verschaffen in die Ansichtsweise und Bewertung des Islam oder der Türken zu diesem Thema. Hoffe, Sie können mir helfen!

MfG

Philipp

Antwort: Hallo Philipp, die Quellen, die ich auf meiner Seite angegeben habe, schließen auch die arabischen Chronisten mit ein. Diese sind: Kemaleddin, Ibn-al Athir, Abulfeda, Ibn Khaldun und Ibn al-Qalanisi. Alle anderen haben von diesen entweder abgeschrieben oder sie existieren nicht. Einen türkischen Chronisten gibt es überhaupt keinen, diese waren gewissermaßen noch nicht so weit. Die Türken kamen damals aus Persien. Sie waren Rivalen der Kreuzfahrer im Kampf ums Heilige Land. Sie waren keine Ureinwohner und konnten sich somit auch nicht als Vertriebene fühlen. Lediglich in Antiochien hatten sie sich eingenistet, und daraus sind sie nach nur 50 Jahren Herrschaft 1099 wieder vertrieben worden. Die heutige Türkei gehörte damals mit Ausnahme des Sultanats Ikonium noch zum Byzantinischen Reich. Anders bei den Sarazenen. Sie galten seit der arabischen Eroberung als die Herren des Landes, wußten aber sehr wohl, daß auch sie sich fremden Territoriums bemächtigt hatten. Alles Land in Israel und Syrien war seit der Zerstörung des Tempels Salomons durch Kaiser Titus römisches Gebiet. Die Juden waren mehrheitlich geflohen, nur ganz wenige waren geblieben. Die Sarazenen sahen das Unternehmen einer Rückeroberung der heiligen Stätten als legitimen Versuch an und besaßen sogar ein gewisses Verständnis für die christliche Invasion, weil sie wohl wußten, daß Jerusalem der Ort war, an dem Jesus gewirkt hatte, und folglich darin eine gewisse Berechtigung sahen. Während des ersten Kreuzzugs war das Kriegsglück vollends auf seiten der Christen, mit Ausnahme derer, die sich um Peter den Eremiten und Walter Habenichts geschart hatten und während des Kreuzzugs des Volkes umkamen. Aber das Große Kreuzheer war trotz gewaltiger Verluste stets siegreich. Hätten die Kreuzzüge nie stattgefunden, hätten sich die Seldschuken noch viel ungehemmter gen Westen ausgebreitet, und das Byzantinische Reich wäre noch viel früher untergegangen. So gesehen war den islamischen Herrschern das Vordringen der Christen mehr ein Dorn im Auge als eine Bedrohung. Die Gläubigen beider Seiten sahen sich gegenseitig als Heiden, darin unterschieden sich die beiden Religionen nicht, wenngleich der Islam der freien Religionsausübung etwas toleranter gegenüberstand. Der Heilige Krieg wurde auf beiden Seiten mit gleicher Erbitterung und aus gleich tiefer religiöser Überzeugung geführt. Die arabischen Chronisten erscheinen gegenüber ihren abendländischen Kollegen leidenschaftsloser, es werden weniger religiöse Zitate eingeflochten, ihre Berichterstattung ist nüchterner, dafür aber sachlicher. Der religiöse Aspekt der Geschehnisse kommt bei ihnen vergleichsweise zu kurz, wenngleich die immer wieder eingeflochtenen Koranfloskeln darüber hinwegzutäuschen vermögen. Beiden Seiten gemein ist die Überzeugung von der göttlichen Vorsehung. Während die christliche Seite ihre Niederlagen als Konsequenz aus den eigenen Sünden ansieht, ist diese Betrachtungsweise den Muslimen fremd. Man gewinnt eher den Eindruck, sie denken gar nicht erst über eine göttliche „Bestrafung“ nach, sondern nehmen sie als gottgegeben hin. Was Sie suchen, ist ein Sich-auseinandersetzen mit philosophisch-religiösen Fragestellungen, aber da muß ich Sie enttäuschen: mir zumindest ist, was man von einem Denker erwarten würde, auf muslimischer Seite unbekannt. Man nahm einfach die Dinge, wie der Koran sie vorschrieb, als dogmatisch gegeben, und machte sich keine großen Gedanken darüber. Auch wenn ich den Tenor Ihrer Aufgabenstellung herauszuhören meine, so bin ich mir dennoch nicht ganz sicher, ob nicht gewisse Kreise sich bloß selbst aufwerten und mit andern gleichziehen möchten. Aber was nicht ist, läßt sich auch nicht herbeiargumentieren: Religion ist nicht gleich Religion. Das Christentum ist viel reichhaltiger und liefert der Fantasie einen wesentlich größeren Schatz, sich mit den ersten und letzten Dingen auseinanderzusetzen, als der Islam. Der Satz von der absoluten Gleichwertigkeit der Religionen ist falsch. Jeder kann sich frei entscheiden, ob er sich lieber intellektuell beschäftigen will oder dogmatisch-monoton. Ein abendländischer Christ wird ohnehin nie verstehen, warum man in der Wüste, wo nur das nächtliche Sternenzelt einige Abwechslung bietet, eher an einen einzigen Gott glaubt als an einen dreifaltigen. Ein Morgenländer wird umgekehrt nie einsehen, warum Gott unbedingt einen Stellvertreter auf Erden braucht.

Ich wünsche Ihnen bei Ihrer Arbeit viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hiebl


13. Februar 2005

Saladin und seine Zeit: Sehr geehrter Herr Hiebl,

wie ich aus Ihrer Homepage erkennen kann, sind Sie ein sehr belesener Mann mit vielen theologischen, geschichtlichen und auch politischen Interessen. Vielleicht darf ich dann einfach mal Ihre Hilfe bzw. Ihre Meinung in Anspruch nehmen? Ich muß oder darf, wie Sie es sehen wollen, über ein Thema referieren, welches mir noch nicht so geläufig ist. Es geht um Saladin ("der edle Sarazene"). Das genaue Thema heißt: "Die Ambivalenz Saladins zwischen Machtkampf und Glaubenskampf." Ich würde gern einfach nur mal Ihre Meinung als Fachmann zu diesem Thema hören und wie Sie dieses Thema angehen würden. Vielleicht kennen Sie auch Literatur zu diesem speziellen Thema. In der Hoffnung, eine Antwort von Ihnen zu bekommen, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Peter T.

Antwort: Sehr geehrter Herr T.,

wenn ich mich einen Spezialisten nennen darf, dann nur für den ersten Kreuzzug, über Saladin weiß ich nicht allzuviel. Doch ich kenne die Quellen, die zu ihm führen, und ich glaube aus dem, was ich über ihn gelesen habe, auch den Menschen zu kennen. Als ich an Saladins Grab in Damaskus stand, war ich ersichtlich gerührt, weil ich ihn damals noch für größer hielt, als er in Wirklichkeit war. Er war nämlich nur deswegen so groß, weil seine Gegner so klein waren. Er hat es eigentlich nie gewagt, wenn ihm nicht günstige Umstände die Sicherheit gaben, seinen Gegnern in offener Feldschlacht entgegenzutreten. Als sie aufgrund eigener Sorglosigkeit halb verdurstet waren, ist er über sie hergefallen, hat sie mit seiner vielfachen Übermacht eingekreist, Feuer um sie gelegt, und erst dann konnte er sie schließlich vernichten. Dies war die Schlacht bei den Hörnern von Hattin. Als ich seinerzeit hoch über dem See von Tiberias, welchen man auch den von Genezareth nennt oder das Galiläische Meer, diese Hörner, zwei erloschene Vulkankegel, aufgesucht habe, konnte ich meine Tränen wegen der verlorenen Schlacht, die sich hier vor meinen Augen abspielte, kaum mehr bezähmen. Guido von Lusignan, der König, wurde verschont, der Fürst von Antiochien, Rainald von Chatîllon, von Saladin, wie es heißt, eigenhändig geköpft, die Großmeister des Templer- und Hospitaliterordens gerieten in Gefangenschaft, die Ritter beider Orden ließ Saladin, weil er sie für fränkische Assassinen hielt, niedermetzeln. Soviel zu seinem Edelmut. Er hielt sich an die Verträge, die er mit den Kreuzfahrern schloß, doch nur, um während des Waffenstillstands ungestört seine Hochrüstung betreiben zu können. Sein Kammerdiener war zugleich auch sein Biograph, er hat in sehr blumiger Sprache über den frommen Saladin geschrieben. Ich kenne nicht alles, was über ihn verfaßt wurde, und was ich kenne, nur in Auszügen. Der Machtmensch, der er zweifellos war, offenbart sich nur in den arabischen Quellen, als Glaubenskämpfer trat er den Franken entgegen, und nur was diese über ihn dachten, ist uns durch abendländische Historiker bekannt. Er war sicher beides zugleich (ambivalenter Machtmensch und Glaubenskämpfer) und von großer Weisheit. Ihm war es als erstem gelungen, die Muslime zu einen, doch nicht kraft seines Glaubens, sondern kraft seines Schwertes. Im Mai läuft der Film "Kingdom of Heaven" an, der u.a. von Saladin handelt und von dem leprakranken König Balduin IV., dessen Absetzung viele gefordert hatten. Trotzdem kann man letzterem nicht die Schuld an Saladins Aufstieg zuschreiben, wohl aber dem endlosen Zwist zwischen dem Grafen von Tripolis und Balduins Nachfolger Guido. Es könnte sich lohnen, sich diesen Film anzusehen. Eine grundsätzliche Würdigung Saladins und seiner Taten halte ich für sehr ehrgeizig, wenn man sich nicht vorher sämtliche abendländischen und orientalischen Quellen zu Gemüte geführt hat und überhaupt sehr viel über diese Zeit weiß. Man ist andernfalls zu sehr auf Sekundärliteratur angewiesen, die von heutigen Wertmaßstäben ausgeht. Erst, wenn man sich über die Ethik unserer Tage hinweggesetzt hat, kann es gelingen, sich in das Wesen des mittelalterlichen Menschen einzufühlen. Ich kam im Laufe meiner langjährigen Beschäftigung mit den Kreuzzügen zu der Erkenntnis, daß das Mittelalter nicht so war, wie man es uns in der Schule beizubringen versucht hat. Aber wozu schwafele ich: im Grunde weiß ich zu wenig über Saladin, um Ihnen ein abschließendes Bild von ihm übermitteln zu können. Sie gehen einen schweren Weg, brechen Sie sich bitte dabei nicht das Genick. Wenn Sie Ihren Artikel fertiggestellt haben, können Sie ihn mir gerne zusenden. Ich lerne immer wieder dazu.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hiebl


Herr A. S. d. M. schrieb: Sehr geehrter Herr,

ich forsche und lehre mittelalterliche Geschichte und habe die Gesta Francorum gesucht. So habe ich Ihre Seite gefunden, und ich freue mich sehr wegen Ihrer interessanten Arbeit.

Ich danke Ihnen

Antwort: Sehr geehrter Herr S. d. M.,

noch sind erst die ersten acht Bücher der Gesta Francorum im Internet veröffentlicht, es fehlen noch die Bücher 9 und 10. Ich habe sie zwar vollständig übersetzt, aber ich muß sie noch einmal redaktionell überarbeiten. Das wohl großartigste und bewegendste Buch ist aber das Zehnte Buch. Die darin geschilderten Szenen übersteigen die menschliche Vorstellungskraft, und es ist vom Umfang her fast so dick wie die ersten acht Bücher zusammen. Bis die Kommentare, Skizzen und Erläuterungen fertiggestellt sind, wird noch einige Zeit vergehen, aber Ihr Schreiben ermutigt mich, zügig weiterzumachen. Es freut mich in jeder Hinsicht, Ihnen gedient zu haben.

Mit den besten Grüßen

Manfred Hiebl


6. März 2003

Herr S. R. schrieb:

Sehr geehrter Herr Hiebl,

ich bin Student und schreibe gerade an einer wissenschaftlichen Arbeit über das Konzil von Clermont. Auf Ihrer Seite habe ich einen mir unbekannten Quelltext zu der Rede von Papst Urban II. am 27.11.1095 gefunden. Können Sie mir bitte einen Nachweis der Quelle und der Bilder schicken, damit ich sie weiterverwenden kann?

Ich bedanke mich im voraus

S. R.

Antwort: Hallo Herr R.,

die aufgezeichnete Rede Papst Urbans II. auf dem Konzil von Clermont ist eine von insgesamt sechs verschiedenen Quellen, von denen jede den Text in etwas anderer Form wiedergibt. Diese hier stammt von Fulcher von Chartres, einem Augenzeugen und Chronisten des ersten Kreuzzugs. Wie Fulcher an den Text dieser Rede gelangt ist, ist unbekannt, man weiß auch nicht, ob Urban sie tatsächlich so gehalten hat. Bei mittelalterlichen Reden ist stets Vorsicht geboten. Dennoch ist sie eine der größten Reden aller Zeiten. Sie hat ca. 20 Millionen Menschen das Leben gekostet. Ich habe sie mit großer Sorgfalt ins Deutsche übersetzt, und ich weiß nicht, ob das außer mir noch jemand getan hat. Wenn Sie auf meiner Kreuzzugsseite nach dem Chronisten Fulcher von Chartres suchen, finden Sie dort im I. Buch, bald am Anfang, den Text dieser Rede. Das Bild stammt aus dem Archivo Iconografico, S.A./CORBIS. Eine andere Version der Rede, die ich ebenfalls übersetzt habe, stammt von Robert dem Mönch.

Nebenbei bemerkt, ich helfe jedem gerne, der mich um etwas bittet, und ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit eine gute Zensur.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hiebl