Der Film von Ridley Scott,
Kingdom of Heaven, zu deutsch
Königreich der Himmel, mit Orlando Bloom in der Hauptrolle, wird an den
Erfolg von Gladiator nicht anknüpfen können. Es handelt sich um die
Verfilmung der historischen Ereignisse um den Niedergang des Königreichs
Jerusalem im Jahr 1187. Held des Films ist der junge Balian von Ibelin, wobei
die eigentliche Geschichtserzählung durch eine frei erfundene Liebesbeziehung
zwischen Balian und der Königin Sibylle, Schwester des leprakranken Königs
Balduin IV., von den historischen Vorbildern abweicht. Was der Film uns nämlich
verschweigt ist, daß Balian von Ibelin zum Zeitpunkt der Handlung mit Maria
Komnena, der Witwe König Amalrichs, verheiratet war und Sibylle überdies ein
Kind aus erster Ehe hatte, nämlich den noch im Kindesalter verstorbenen,
späteren König Balduin V. Unter Balduins Vorgänger Amalrich war zwar, um die
Ibelins stärker an das Königshaus zu binden, ein Eheangebot an Balians Bruder
Balduin ergangen, daß aber Balian von König Balduin die Ehe mit seiner Schwester
angeboten worden sein soll, stand nie wirklich zur Debatte. Der Vater Balians
hieß im übrigen auch nicht Gottfried, sondern war Balian der Ältere. Eine grobe
Fälschung historischer Tatsachen ist auch die Rolle Sibylles während der
Belagerung Jerusalems, wo sie als sorgende, um das Wohl ihres Volkes bemühte
Krankenschwester bis zuletzt in der Stadt ausharrt, während ihr in Wirklichkeit
noch vor Beginn der Belagerung freier Abzug gewährt worden war, wovon sie auch
durchaus Gebrauch gemacht hatte. Dubios bis zuletzt bleibt die Person des Tiberias, der wohl niemand anders darstellen dürfte als den Grafen Raimund
von Tripolis, der zugleich Herr von Tiberias war und durch ein verräterisches
Bündnis mit Saladin die Widerstandskraft des Königreichs Jerusalem entscheidend
schwächte. Der Film überträgt die Hauptschuld aber eindeutig auf Rainald von
Châtillon, der früher Fürst von Antiochien gewesen war und nach seinem Loskauf
aus muslimischer Gefangenschaft hohe Ämter im Königreich Jerusalem bekleidete,
dessen Heerführer er war und als unumschränkter Herr von Oultrejourdain auch
niemals vom König zur Verantwortung hätte gezogen, geschweige denn gezüchtigt
werden können. Der Hauptverantwortliche am Untergang Jerusalems, der Großmeister
des Templerordens, Gerhard von Ridefort, wird namentlich im Film noch nicht
einmal erwähnt, riet er doch Guido von Lusignan zum Entsatz der von Saladin
belagerten Stadt Tiberias und somit wider besseren Wissens zum Verlassen der
Quellen von Sephoria. Indem Guido diesem Rat folgte, wurde das Heer vom Wasser
abgeschnitten und war, noch ehe die eigentliche Schlacht begonnen hatte, halb
dem Verdursten nahe. Die eigentlichen Ursachen der folgenschweren Niederlage bei
den Hörnern von Hattin werden im Film nicht annähernd herausgearbeitet. Der
genaue Schlachtenverlauf, der von den Historikern sehr genau beschrieben wurde,
wird nicht aufgezeigt, womit dem Geschehen die höchste Dramatik entzogen wird.
Der Streit um die Regentschaft und Nachfolge auf dem Jerusalemer Königsthron
zwischen Graf Raimund von Tripolis und Sibylles Gemahl, Guido von Lusignan, der
zum Abfall Raimunds vom König und zu seinem verräterischen Pakt mit Saladin
geführt hatte – dessen prominentestes Opfer der Großmeister des
Hospitaliterordens, Roger von Les Moulins, war und dessen Verlust der
christlichen Sache erheblichen Schaden zufügte –, kommt neben anderen,
unbedeutenderen Geschehnissen viel zu kurz. Es zieht sich kein richtiger roter
Faden durch den Film, die Darbietung beschränkt sich auf eine verschwommene
Darstellung, wie es gewesen sein könnte, nicht aber, wie es war. Dabei
unterlaufen dem Regisseur ganz typische Fehler. So wäre es beispielsweise im
damaligen Königreich Jerusalem gänzlich unmöglich gewesen, einen Tempelritter
durch einen weltlichen Herrn zum Tod durch den Strang zu verurteilen, weil über
ihn nur der Papst die Blutgerichtsbarkeit innehatte, diese aber in der Realität
kaum jemals ausgeübt haben dürfte.
Daß
König Guido höchstpersönlich vor den Augen seiner Vasallen und des gesamten
Hofstaats einen Gesandten Saladins ermordet haben soll, ist ins Reich der Fabel
zu verweisen und stellt die Kreuzfahrer barbarischer dar, als sie in
Wirklichkeit waren. Auch die Episode über
Balians niedere Herkunft dürfte dem Einfallsreichtum des Drehbuchautors
entsprungen sein, denn wer damals nicht von edler Geburt war, hätte nur
schwerlich einem Baron im Amte nachfolgen und unter den Großen des Reichs
Aufnahme finden können. Ridley Scott scheint völlig zu ignorieren, daß es damals
noch so etwas wie Standesdünkel gegeben hat. So mag nun Marokko als Drehort von
seiner Lage im Orient her als besonders geeignet erscheinen, eine aus Lehm
gebaute Kasbah wird einem Hochadelssitz der Kreuzfahrerzeit wohl kaum gerecht.
Auch, daß eine vermählte Frau damals einen leichtfertigen Seitensprung riskiert
hätte, selbst als künftige Königin, entspricht wohl eher der heutigen
Lebenserfahrung als den wahren Begebenheiten. Frauen wurden im Mittelalter
einfach verheiratet, und der Vater oder Bruder bestimmten in der Regel, wem sie
gegeben wurden. Wenn sie nicht heiraten wollten oder niemand sie haben wollte,
wurden sie kurzerhand ins Kloster gesteckt. Sibylles Entscheidung, entgegen den
Wünschen einiger Großen Guido von Lusignan zu ihrem Gemahl zu nehmen, zeigt, daß
offenbar bereits im ausgehenden Hochmittelalter von dieser Praxis abgewichen
wurde. Im übrigen atmet der Film nicht den Hauch des frühen Christentums, er
spricht nicht die Sprache der tiefen Frömmigkeit des mittelalterlichen Menschen,
sondern lebt vielmehr von der erst Jahrhunderte später erfolgten, hier ins
Mittelalter vorverlegten Aufrechnung mit der Kirche und von Vorwürfen wider
dieselbe, von ins Lächerliche gezogenen Lehrmeinungen der Scholastik, von für
die damalige Zeit unbekannter Selbstbezichtigung sowie Belustigungen über heute
nicht mehr Nachvollziehbares, und er wird im übrigen auch dem Islam nicht
gerecht, weil er den in der damaligen Zeit ungemein verbreiteten Christenhaß
stillschweigend übergeht. Dem Regisseur gelingt es nicht, den Betrachter in die
Lage zu versetzen, sich in die Denk- und Handlungsweise des mittelalterlichen
Menschen hineinzudenken, ihm die Geistesströmung jener Zeit zu vermitteln, so
daß seine Inszenierung nicht mehr zu sein vermag als ein Zerrbild jener Epoche
und so gut wie überhaupt nicht geeignet ist, zu einem besseren
Geschichtsverständnis beizutragen. Das besondere Anliegen des Films scheint es
zu sein, die völlig nebensächliche Heuchelei von Repräsentanten der Obrigkeit
und des Klerus anzuprangern, so als habe man das Problem nicht erst heute.
Genauso verfehlt ist es, wegen Verstößen gegen ethische Normen und
Verhaltensweisen das Mittelalter als warnendes Beispiel anzuführen, denn jene
Menschen, denen Begriffe wie Ehre und Treue durchaus geläufig waren, würden
unser sittliches Handeln aus ihrer Sicht genauso verurteilen wie wir das ihrige.
Die Absichten des Filmemachers sind mehr als dubios und nebulös zudem, denn in
nicht einer der Handlungen und Charaktere kommen die wahren Leidenschaften jener
Zeit zum Ausdruck, selbst die eingeflochtene Liebesgeschichte wirkt mit Blick
auf die Gefühle unterkühlt, die Liebeshandlungen unbeholfen, was dem Stoff auch
nicht gerade weiterhilft. Die Motive der Handelnden bleiben unklar, die
rauschenden Feste und das Glück jener Zeit werden ausgespart. Alles scheint sich
immer noch am Leitspruch des ersten Kreuzzugs zu orientieren: "Gott will es!",
doch angesichts der dargestellten Vermischung verschiedener Glaubensrichtungen
im Königreich Jerusalem wirkt diese Phrase unangebracht, ja lächerlich. Nachdem
Jerusalem nach der Eroberung durch die Kreuzfahrer 1099 so gut wie ausgemordet
war und sich aller Besitz in christlichen Händen befand, stellen wir mit
Befremden fest, daß nur 88 Jahre danach wieder ein solcher Bevölkerungszuwachs
erfolgt sein soll, daß die Bevölkerungsmehrheit überwiegend aus Moslems
und Juden bestand, anstatt aus Nachfahren fränkischer, im Lande gebliebener
Pilger. Vermutlich wollte der Filmemacher, aus Unkenntnis oder mit Absicht, dem
Betrachter eine Welt vorgaukeln, wie wir sie kennen, mit den wahren
Verhältnissen im Heiligen Land steht dieses freilich wenig in Einklang. Gewiß,
es gab nicht wenige Turkopolen im Dienste des Kreuzes – Bastarde, deren Väter
Lateiner, die Mütter jedoch Turkomaninen waren. Doch daß ein Franke, wie der
Film es suggeriert, unter lauter Turbanen die Ausnahme ist, so wiederum kann es
auch nicht gewesen sein. Daß man fremde Religionsausübung duldete, dafür waren
in erster Linie die Muslime berühmt, den Vertretern des Abendlandes war dies ein
eher fremder Gedanke. Im Film stellt sich alles so dar, als gehe es vornehmlich
um den Primat der richtigen Staatsreligion. Harsche, bisweilen beißende Kritik
an Ordensbruderschaft und Klerus wird laut, bis hin zu ketzerischen, für die
damalige Zeit völlig unvorstellbaren Äußerungen über Gott und die Obrigkeit. Es
ist dem missionarischen Auftrag der römischen Kirche nicht angemessen, den
Zuschauer, anstatt ihm die wesentlichen Inhalte religiöser Überzeugung
begreiflich zu machen, mit dem modernen atheistischen Weltbild zu konfrontieren
und die christliche Wertegemeinschaft in Frage zu stellen. Die Aufgabe dieses
Films kann es nicht sein, eine Gleichberechtigung der verschiedenen Religionen
zu fordern oder durch ihn Kritik an den Vorgängen im Nahen Osten zu üben, die
damit nichts zu tun haben. Besonders daneben liegt die Charakterisierung
Saladins als eines wohlwollenden und großherzigen Menschenfreundes. Der bereits
durch Mord an die Regierung gelangte Machtpolitiker hat nicht nur in ganz Syrien
und Mesopotamien seine Blutspur hinterlassen, sondern durch seine Sufis auch
massenweise Kriegsgefangene hinrichten lassen und Unzählige in die Sklaverei
verschleppt, ganz zu schweigen von dem Mord an Rainald von Châtillon. Was der
Film ebenfalls nur einseitig herausarbeitet, ist die schädliche Zerstrittenheit
unter den christlichen Fürsten, während von den Muslimen der Eindruck von
tadelloser Geschlossenheit erweckt wird, was bei Saladin hingegen, der
zahlreiche innere Gegner zu überwinden hatte, mitnichten der Fall war. Überhaupt
werden die Muslime charakterlich als die wertvolleren Menschen gepriesen, die
Christen hingegen aller erdenklichen Schreckenstaten bezichtigt. Mit der
Einseitigkeit einer solchen Darstellung wird Geschichte umgeschrieben, die
eigene, auf Nächstenliebe basierende Wertegemeinschaft in Frage gestellt. Die
Wahrheit ist, daß sarazenische Fürsten nach Saladin, dem "edlen Ritter", mit
genau der gleichen Brutalität gewütet haben wie umgekehrt die Christen. Die
Moral von der Geschicht': Späte Reue ist der erste Weg zur Besserung, Vergeltung
wird aus dem Gedächtnis gestrichen, die Mentalität des Verlierers weitervererbt.
Diese pragmatische Position gibt jedoch ein völlig falsches Geschichtsbild
wieder, während das richtige geschickt umschifft wird, vielleicht aus Furcht vor
den eigenen, in uns schlummernden dämonischen Mächten. So gesehen rangiert das
ganze Konstrukt unter dem Sammelbegriff "nicht aufgearbeitet".
Auch filmisch stellt der Streifen nicht gerade eine reife
Leistung dar. Die Kamera wird immer wieder starken Erschütterungen ausgesetzt,
so als wollten sie das Erlebte am eigenen Leib verspüren lassen. Die Kampfszenen
selbst sind nicht sonderlich spektakulär, während gleichzeitig der Tod in seinen
schrecklichsten Formen gezeigt wird. Zeitraffer und Auslassungen machen das
Kampfgeschehen nicht gerade spannender. Die gewohnte Art mittelalterlicher
Kriegführung wird unnötig plattgetreten, bis ins Unglaubwürdige gesteigert.
Obwohl Kerak nun nicht gerade die am besten erhaltene Burg der Kreuzfahrerzeit
ist, mußte der Bühnenbildner wiederum auch kein abstruses Schloß nach Art des
bayerischen Märchenkönigs Ludwig II. entwerfen. Hatten die Kreuzfahrer des
ersten Kreuzzugs bei der Einnahme Jerusalems 1099 noch Mühe gehabt, auch nur
zwei Belagerungstürme anzufertigen, so führt Saladin deren über ein halbes
Dutzend ins Feld. Voll des Märtyrergeistes erklimmen Soldaten auf Leitern
zwanzig Meter hohe Mauern, nur um anschließend mit siedendem Pech übergossen zu
werden und als lebende Brandfackeln den Zuschauer in Entzücken zu versetzen.
Jerusalem selbst wirkt nicht sonderlich authentisch; jeder, der schon einmal da
war, dürfte sich schwertun, den beherrschenden Davidsturm auch nur irgendwo zu
erkennen. Während schlecht gewählte Örtlichkeit den Ölberg und den Skopiusberg
vermissen lassen, den seit Jahrhunderten ausgemachten Feldherrnhügel, und
Jerusalems uneinnehmbare, an drei Seiten durch tiefe Abgründe geschützte,
strategisch überaus günstige Lage kein Thema ist – hierüber mußten sich die
Führer des ersten Kreuzzuges noch außerordentliches Kopfzerbrechen machen –,
will uns der Film Glauben machen, daß die Einnahme Jerusalems lediglich eine
Frage der Ausdauer sei und welche Verluste man einzugehen bereit ist. Die
Wahrheit ist, daß es in Jerusalem lediglich vier Ritter gab, die die
Verteidigung hätten übernehmen können, und was mangels Verteidigern an von
Balian zu Rittern Geschlagenen vorhanden war. Einzig die Drohung, daß die
Verteidiger vor einer etwaigen Einnahme selbst noch alles zerstören würden, was
den Moslems heilig sei, ließ Saladin auf die Kapitulationsbedingungen – das
Verhandlungsangebot kam in Wahrheit von den Christen – eingehen. Zudem nahm
Saladin sie nur unter der Bedingung an, daß jeder Bürger sich durch eine
entsprechende Summe freikaufen müsse. Doch nicht nur Saladin wird immer wieder
falsch portraitiert, auch die anderen Akteure entsprechen nicht den historischen
Vorlagen. Balduins Schwager Guido etwa wird als arrogant und eingebildet, als
ein von Machtgier strotzender Sproß des französischen Hochadels vorgeführt, der
stets die Embleme eines Tempelritters zur Schau stellt, in Wirklichkeit aber ein
leicht zu beeinflussender, selten widersprechender und immer dem letzten Glauben
schenkender Geist war, feige und schwächlich, den Anforderungen, die das Amt des
Königs unter den gegebenen Umständen erfordert hätten, weder geistig noch
körperlich gewachsen, und der kraft seiner Entscheidungsschwäche den Untergang
des Königreichs verschuldete. Als er Saladin gefangen vorgeführt wurde, am
ganzen Leibe zitternd, und dieser ihm zum Zeichen, daß er nichts zu befürchten
habe, einen Becher Wasser reichte, wies er diesen keineswegs, wie uns der Film
Glauben machen will, voller Stolz zurück, sondern trank ihn in Wirklichkeit halb
leer, und dann reichte er ihn an Rainald von Châtillon weiter. Rainald von
Châtillon wiederum wird als behäbiger, dickleibiger alter Haudegen vorgestellt,
mit lockiger roter Haarpracht, in Wahrheit aber nahm ihn seine Frau Konstanze,
die bis dahin alle hochrangigen Bewerber aus den besten Häusern abgewiesen
hatte, trotz seiner niederen Herkunft nur deswegen zu ihrem Gemahl, weil sie
seine schöne Gestalt und sein draufgängerisches Wesen an ihm reizten. Falsch ist
auch, daß Rainald für seine Verletzung des Waffenstillstands vom König zur
Rechenschaft gezogen oder gar körperlich gezüchtigt worden sei. Ein demütiges
und unterwürfiges Verhalten stehen ihm daher, der einst Fürst von Antiochien gewesen
war, nicht an. Saladin höchstpersönlich hat, nachdem er ihn scharf
zurechtgewiesen, eingedenk seines Versprechens eigenhändig enthauptet, im Film
sind es – um Saladin aufzuwerten – andere, die die Bluttat vollbringen. Der
"Tiberias" genannte Edle – eine völlig unübliche Anrede –, der kein anderer sein
kann als der Graf von Tripolis, paßt in nichts zu seiner historischen Vorlage.
Er offenbart sich uns als Philosoph und Friedensvermittler, während er in
Wirklichkeit als Reichsverweser für den schwerkranken Balduin IV. fungierte und
als ein tatkräftiger und entschlossener Mann in schärfstem Gegensatz zu Guido
von Lusignan stand. Seine Verräternatur tritt im Film nicht so recht zutage.
Sein Verhältnis zu Saladin bleibt weitgehend im dunkeln, auch sein Gegensatz zum
König, mit dem er sich wieder vollständig aussöhnte, bleibt uns verborgen. Er
war nachher sogar dazu bereit, um des Reiches willen die Gefangenschaft seiner
Frau Eschiva, die in der Burg von Tiberias eingeschlossen war, billigend in Kauf
zu nehmen. Auch plante er keineswegs, sich nach Zypern abzusetzen, sondern starb
im Jahr nach dem Fall Jerusalems in Tripolis. Für Sibylle, Balians Geliebte, hat
die Geschichtsschreibung lediglich den Begriff "törichtes Weib" erübrigen
können. Balian schließlich erweist sich als der große Kritiker des
Kreuzzugsgedankens, der selbst Gott in Frage stellt, sich auch mehrfach
ketzerische Äußerungen gegen Kirche und Staat erlaubt und auf dem am Ende der
Makel lastet, Jerusalem aufgegeben zu haben. Aber er gerät dadurch mit seiner
Ehre oder seinem Gewissen keineswegs in Konflikt, wahrscheinlich ging es ihm nur
um sein eigenes Überleben. Am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf, so als
gäbe es über die Millionen Toten der Kreuzzüge auch noch Grund zum Lachen. Was
liegt schon an Jerusalem! heißt es da. Was lag hundert Jahre lang daran, im
Besitz der Heiligen Stadt zu sein, muß man sich nachträglich fragen? Warum haben
Hunderttausende ihr Leben dafür hingegeben, wenn alles so bedeutungslos war?
Dies begreift der Regisseur offenbar nicht, und es wird auch keiner jemals
begreifen, der sich nur auf den Film beschränkt. In Europa löste der Fall
Jerusalems Entsetzen aus und gab Anlaß zum dritten Kreuzzug. Die Rettung von
Menschenleben war somit nur kurzsichtig, denn es gab daraufhin noch viel mehr
Tote. Später aber gab Saladin Jerusalem an Friedrich II. von Hohenstaufen
zurück, weil es ohne muslimische Bevölkerung war, es wurde somit zur Enklave des
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Mit dem Niedergang der Staufer
schließlich ging es dem Abendland für immer verloren. Am Ende des Films sehen
wir Balian mit Sibylle, die nun weltlichen Ansprüchen entsagen will, fliehen,
und wahrscheinlich heiraten die beiden irgendwo heimlich, und wenn sie nicht
gestorben sind, dann leben sie noch heute. Von dem wahren Balian hingegen hören
wir nie mehr wieder etwas, seine Spuren lösen sich im Rauch der Geschichte auf. Hat
die Geschichtsschreibung doch ihre ganz eigene Wertung! Sie urteilt nur nach
Siegern und Besiegten. Der Film – sei er nun Antikriegsfilm oder nicht – ist
ganz auf die Bedürfnisse der heutigen Jugend zugeschnitten, die kaum noch
kämpferische Züge hat, sich auch nicht mehr im sinnlosen Kampf um eine bessere
Welt auszeichnen will, sondern durch Tatenlosigkeit glänzt und mehr durch
Untätigkeit als durch Waffen besticht. Während noch die Väter die Welt in Atem
hielten, macht die Welt nun umgekehrt die Söhne atemlos.
Bildnachweis Kreuzfahrerburg Kerak:
REISESERVICE GRAW, Seefelder Str. 102, D-82211 Herrsching