10. Juni 2012
Richard Dimbath schrieb:
Sehr geehrter Herr Hiebl,
unter dem Suchbegriff Otto II.
von Wolfratshausen stieß ich auf die von Ihnen betreute Seite des
Stammbaumes der Grafen von Wolfratshausen. Nun weiß ich nicht, ob
Sie zufällig eine Information darüber erhielten, was die Gründung
eines "Burgvereins Wolfratshausen" betrifft. Hier ist es vor allem
auch das Ziel, eine intensive Burgforschung zu betreiben, zu der
natürlich auch Informationen über die Grafen von Wolfratshausen
gehören. Weiter als Bertold II. (1060) wird man wahrscheinlich
historisch nicht vorstoßen können. Der uns hier zugeordnete
Archäologe Dr. Pechtl meinte allerdings, daß man durch
wissenschaftlich gestützte Probegrabungen evtl. in frühere Zeiten
vorstoßen könnte. Frage an Sie, in welcher Weise Sie mit dem Thema
befaßt sind. Frage 2, ob Sie evtl. Kenntnisse der Umstände haben,
wie Friedrich I. (Barbarossa), damals noch Friedrich von Schwaben,
die Burg Wolfratshausen 1145 eroberte, dabei aber aus Rücksichtnahme
auf die dort residierende Verwandtschaft nicht zerstörte. Wäre schön
von Ihnen zu hören.
Mit besten Grüßen
Richard Dimbath aus
Wolfratshausen
Antwort:
Sehr geehrter Herr Dimbath,
mir ist nichts darüber bekannt, daß die Burg Wolfratshausen 1145 ein
zweites Mal erobert worden wäre, nachdem sie 1133 bereits zerstört
war. Auch die genealogische Verbindung zu den Staufern ist mir neu.
Die Grafen von Wolfratshausen sind 1157 ausgestorben. Der
Gefängnisort des letzten Grafen von Wolfratshausen, Ravensburg, ist
außerdem keine staufische Burg, sondern gehörte den Welfen, in deren
Besitz das andechsische Land zuvor war.
Von einer Gründung eines Burgvereins Wolfratshausen weiß ich nichts.
Da ich mit Hauptwohnsitz von Sauerlach nach Neuburg umgezogen bin,
dürfte ein Beitritt zu diesem Verein auch wenig Sinn haben. Ich bin
weder Historiker noch Archäologe, so daß ich auch keine
Informationen aus erster Hand geben kann. Grundsätzlich begrüße ich
natürlich historische Forschungen. Meine Informationen zu den Grafen
von Wolfratshausen habe ich von der ehemaligen Webseite "Genealogie
des Mittelalters", die ich lizenziert in meine private Homepage
übernommen habe, obwohl ich nicht deren Urheber bin. Den Burghügel
zu Wolfratshausen habe ich mehrfach persönlich aufgesucht, wie ich
das eigentlich bei jeder Burg halte, über die ich berichte.
Aber Sie erinnern mich natürlich daran, daß ich meine
Burgenforschungen wieder intensivieren sollte. Auch freue ich mich
über jeden Leserbrief und bemühe mich, nach Kräften Auskunft zu
geben.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Hiebl
Rückantwort:
Sehr geehrter Herr Hiebl,
haben Sie sehr herzlichen Dank
für Ihre rasche Antwort. Da Sie ja ganz offensichtlich ein
Burgenfreund sind, zu unserem hiesigen Engagement einige
Ausführungen wie folgt:
Schon sehr lange hegte ich den Traum zum Wiederaufbau der Burg
Wolfratshausen. Doch war dies lange Zeit nur eine schöne ILLUSION.
Bis mich eines Tages ein Bekannter auf den Burgbau "Guédelon" in
Frankreich aufmerksam machte. Dort baut man seit nunmehr 14 Jahren
mitten im Burgund an einer mittelalterlichen Burg und zwar mit den
Mitteln der "experimentellen Archäologie" (ohne Strom und ohne
Maschinen). Falls noch nicht geschehen, werfen Sie bitte unter dem
angegebenen Suchbegriff einmal einen Blick ins Internet. Da sagte
ich mir, was man in Frankreich macht, müßten wir hier doch auch
zuwege bringen und gründete nach längerem Anlauf den "Burgverein
Wolfratshausen" mit dem Ziel des Wiederaufbaues dieser Burg analog
des Vorgehens in Frankreich. Eine erste, kleine Homepage dazu
informiert unter dem Vereinsnamen. Mittlerweile gibt es in Friesach
(Kärnten) seit 2 Jahren ein erstes Nachfolge-Projekt des
französischen Vorbildes und ein weiteres soll mit einer ganzen
Klosterstadt in diesem Jahr in "Meßkirch" am Bodensee beginnen.
Eines unserer wichtigsten Vorhaben ist zunächst eine intensive
Burgforschung, denn eine solche gab es bislang noch nicht. Aufgrund
unserer Initiative wurden bereits erste, kleine Schildchen mit der
Bezeichnung "Burgweg-Aussichtspunkt und Gedenkstein" am Bergwald von
Wolfratshausen aufgestellt, damit sich der Besucher im Gelände
besser orientieren kann. Was die Grafen von
Diessen-Andechs-Wolfratshausen betrifft, so zählten diese zu den
mächtigsten Herrschergeschlechtern der damaligen Zeit mit
Grundbesitz von Burgund bis an die Adria. Eine Nichte von Friedrich
I. (Barbarossa) war Burgherrin auf der Burg. 1145 eroberte Friedrich
I., damals noch Friedrich von Schwaben auf Weisung König Konrad
III. die Burg Wolfratshausen, zerstörte sie dabei aber nicht mit
Rücksicht auf die verwandtschaftliche Beziehung. Der damalige
Burgherr hatte die Welfen unterstützt und das ärgerte König Konrad
III. Soweit also auch ein kleiner, historischer Ausflug hierzu. Ich
selbst versuche nun heraus zu finden, an welchen Tagen in welchem
Monat Barbarossa die Burg eingenommen hat, denn das der "große
Barbarossa" auf dieser Burg war und angeblich sogar bei einen
Ritter-Turnier teilgenommen hat, ist ja nun wirklich nichts
Alltägliches mehr. Ich selbst schreibe an einem Buch zum generellen
Thema "Burgbau in heutiger Zeit", das im kommenden Jahr erscheinen
soll, wobei auch die Projekte in Friesach und Meßkirch zur Sprache
kommen werden. Sollten Sie näheres Interesse haben, würden ich mich
freuen, wenn Sie an der genannten Burg in welcher Form auch immer
mitarbeiten würden, wobei der Wohnort eigentlich Nebensache wäre. So
höre ich gerne wieder von Ihnen und verbleibe mit
Gruß
Ihr
Richard Dimbath
vom Burgverein Wolfratshausen
Antwort: Sehr geehrter
Herr Dimbath,
bevor Sie ein solches Vorhaben umsetzen können, müssen doch zuerst
enorme Hürden genommen werden. Die Burg
Wolfratshausen ist ein
Kulturdenkmal, welches zu seiner Veränderung einer Genehmigung vom
Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege bedarf. Die werden Sie nicht
bekommen. Wenn Sie kein anerkannter Archäologe sind, bekommen Sie
noch
nicht einmal eine Genehmigung zum Graben. Sodann brauchen Sie einen
Bauplan von einem versierten und damit meist sehr teuren
Architekten.
Auf welcher Grundlage soll er die Konstruktion anfertigen, wenn
nicht
einmal mehr die Grundmauern existieren? Die Burg könnte doch
außerdem
nur einen neuartigen Eindruck erwecken. Wie wollen Sie das
künstliche
Altern hinkriegen, wie man es beispielsweise mit bei Ritterspielen
verwendeten Schwertern macht. Ich denke, es wäre genug gewonnen,
wenn es
Ihnen gelingen würde, ein Modell der Burg mit einer erklärenden
Tafel
aufzustellen, wie das etwa bei der Dünaburg im Verhältnis 1 : 10
geschehen ist. Die mittelalterlichen Burgen wurden früher von zu
Frondiensten herangezogenen Bauern gebaut. Ihr Essen mußten sich
diese
Leute selbst mitbringen. So etwas geht
heute nicht mehr. Ein solches
Vorhaben wäre auch überhaupt nicht finanzierbar. Sie brauchen so
viele
Spendengelder, um das Werk in die Tat umzusetzen, daß ich Zweifel
habe,
daß Sie die geschätzten 5 Millionen Euro je zusammenbekommen. Ich
meine,
ich habe ja auch so meine Träume, nur, fürchte ich, wird man Sie im
Gemeinderat der Stadt
Wolfratshausen für verrückt erklären. Wie haben
Sie sich zudem den tatsächlichen Burgenbau vorgestellt? Ich war zwar
als
Jugendlicher selbst einmal auf dem Bau tätig, aber die
Maurerarbeiten
haben Gelernte verrichtet, nicht die Hilfsarbeiter. Wie soll das
angelegte Geld außerdem später gewinnbringend zurückkommen? Es gibt
immer weniger historisch Interessierte auf der Welt. Geschichte ist
eine
aussterbende Disziplin. Die Leute werden kommen, um
Open-Air-Festivals
abzuhalten und ihren Müll hinterlassen. Das hat mit wahrem Erleben
des
Mittelalters wenig zu tun. Wie könnte schlußendlich ich daran aktiv
mitarbeiten? Ich müßte mir jedes Wochenende nur für dieses Vorhaben
freihalten. Diese Zeit habe ich gar nicht. Oder denken Sie, ich sei
Millionär und würde Ihnen die erste Million mal kurz rüberreichen?
Sie
sollten darüber hinaus noch wissen, daß ich ein Freund der Romantik
bin
und guterhaltene Ruinen mehr schätze als schlecht wiederaufgebaute
Burgen. Von der Burg
Wolfratshausen ist ja nun wirklich nichts mehr
erhalten. Sie müßten zuerst den gesamten Wald auf dem
Burgberg roden,
damit die Burg auch zu sehen ist. Das dürfen Sie nur, wenn Sie
Grundstückseigentümer sind. Daß der bayerische Staat mittlerweile
auch
unsere antiken Zeugnisse verscherbelt, irritiert mich. Das erinnert
mich
irgendwie an Griechenland und die Türkei, wo Schafherden auf den
antiken
Mauerresten herumlaufen und alles verschmutzen. Daß die Deutschen
irgendwann auch zu einem solch geschichtslosen Volk verkommen, steht
außer Frage. Die erwarteten Besucher werden also gar nicht erst
kommen,
es sei denn, Sie machen ein zweites Disneyland daraus. Das sollten
Sie
besser vermeiden. Ich möchte Sie auch gar nicht fragen, wie alt Sie
schon sind, gebe Ihnen aber zu bedenken, daß Sie die Fertigstellung
Ihres Projekts vielleicht gar nicht mehr erleben werden. So - nun
habe
ich genügend Bedenken vorgetragen, daß mir nichts mehr dazu
einfällt,
was der Sache umgekehrt dienlich sein könnte. Aber vielleicht haben
ja
Sie noch irgendwelche Pros im Hinterkopf, auf die ich noch nicht
gekommen bin.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Hiebl
Rückantwort: Sehr geehrter Herr Hiebl,
ich danke Ihnen, das Sie sich mit Ihren Fragen so viel Mühe gegeben
haben, wobei ich das natürlich verstehe, da Sie längst nicht alle
laufenden Informationen über unsere jetzigen Abläufe in Wolfratshausen
haben. Im Einzelnen darf ich nun zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen
wie folgt Stellung nehmen:
1. Denkmalamt/Archäologe:
Eine der ersten Maßnahmen war das Thema Archäologe. Hier wurde uns
auf meine Bitte hin bereits vor 2
Jahren Dr. Pechtl vom "Kelten-Römer-Museum-Maching" zur fachlichen
Unterstützung zugewiesen. Das es
ohne Denkmalamt nicht geht, war auch mir zu Anbeginn klar. So
erfolgte eine frühzeitige Kontakt-Aufnahme.
Dies führte bereits im Sommer 2010 zu einer ersten, gemeinsamen
Begehung des ehemaligen Burg-Areals
mit der klaren Aussage, das an der selben Stelle kein Burgbau
´ möglich ist. man müßte etwas nach Süden
ausweichen, war unsere Antwort. Zu wissenschaftlich gestützten
Probe-Grabungen verhielten sich die
Herren jedoch sehr offen und Dr. Pechtl hegt hier große
Hoffnungen, evtl. sogar bis in die "Karolingische
Zeit" durch Funde vorstoßen zu können.
Aus diesem Grunde hat auch das Thema "Burgforschung" in unserer
Planung eine sehr große Bedeutung.
2. Grundmauern:
Hier gab es bei uns von Gegnern bereits ähnliche Äußerungen wie
die von ihnen, doch der Sektionsleiter
des Denkmalamtes entgegnete hierauf, das er Erfahrungen von
hunderten von Burgen in Bayern habe und
nach seiner Einschätzung kann man davon ausgehen, das die
Grundmauern der Burg Wolfratshausen mit
hundert %iger Sicherheit noch vorhanden wären, um einen Plan
erstellen zu können. Der Historiker
Dr. Antonow hat sich angeboten, uns architektonisch zu
unterstützen. Sie müßten ihn kennen
(Antonow-Verlag).
3. Modell der Burg:
Ein Modell der Burg von Wolfratshausen steht im hiesigen
Heimat-Museum. Themen wie z.B. "künstliches
Altern" werden auf eine Zeit verschoben, wenn das Thema aktuell
ist. Hier werden wir Erfahrungen aus den
Burgbauten Guédelon, Freisach und Meßkirch übernehmen können.
4. Finanzierung
Dr. Antonow schätzt die Kosten dieses Burgbaues auf ca. 10-20 Mio
Euro. Über die Finanzierung mache ich
mir derzeit keine allzu großen Sorgen. Diese erfolgt wie in den
bereits angesprochenen Projekten über die
Besucher-Zahlen, wie uns das bereits in Guédelon seit 14 Jahren
vorgemacht wird. Auch haben wir wie
unsere Freunde in Frankreich Anspruch auf EU-Förder-Programme.
Gleiches Recht für alle.
Die heißen im Moment "LEADER- Programme" und werden in unserer
Region leider nicht sehr stark in
Anspruch genommen, sodaß man hier dankbar um jedes größere Projekt
sein dürfte.
5. Verrücktheit
Die Zeit, als man mich in der Öffentlichkeit für verrückt erklärte
gehört bereits der Vergangenheit an. Nach
nunmehr ca. 3 Jahren der Darstellung und Diskussion in der
Öffentlichkeit, wird sich vermutlich der Stadtrat
noch in diesem Thema des Themas einmal grundsätzlich annehmen,
zumal unserem Verein bereits zum
Start 2 Stadträte angehörten.
6. Historisches Interesse:
Bitte schlagen Sie unsere Homepage auf, in der es einen Link zum
französischen Projekt Guédelon gibt. Sie
werden staunen, wenn Sie des weiteren erfahren, das es dort heute
bereits 400 000 Besucher p.a. gibt und
daß 50% dieser Besucher Jugendliche sind. (Geschichte ist hier
zumindest keine "aussterbende Disziplin",
wie Sie es anführen!) Auch sind wir hier in Wolfratshausen noch
meilenweit "von einem ersten
Spatenstich" entfernt. Eine Stufe muß nach der anderen genommen
und nichts darf übersprungen werden.
Derzeit geht es auch vor allem um eine mentale Unterstützung
vieler Menschen und auch z.B. Hilfe bei der
Burgforschung in den Archiven.
Hier appelliere ich auch an Hobby-Historiker, die Spaß an diesem
Thema haben und es nicht als Opfer
empfinden, hier ihre Zeit einzubringen. Hobby bleibt Hobby!
7. Waldrodung
Hier kam uns die Eigentümerfamilie ungewollt entgegen. Im Winter
2011 vollführte diese am gesamten
Berghang in einer Nacht-und-Nebel-Aktion angeblich aus Gründen der
Sicherheit einen völligen Kahlschlag
am Berghang, der viel Furore auslöste. Stünde heute die Burg noch
dort, so könnte man sie nun
vollkommen und erhaben dort oben sehen. Das Thema Grundeigentum
besteht weiter fort. Wir hatten bereits
dem Bürgermeister( der unser Projekt unterstützt) vorgeschlagen,
das gesamte Areal( ca. 23 000 qm) für
die Stadt zu kaufen und schätzten den Wert auf ca. 100 000 Euro.
Hier wird man abwarten müssen, was die
Zukunft bringt.
8. Besucher und das Thema "Disneyland".
Mit diesem Thema wurden auch die Franzosen bereits von vielen
Gegnern der Anfangszeit konfrontiert.
All diese schweigen heute, nachdem sie sehen, das das Gegenteil
des Fall ist. Auch bei uns warteten die
ersten Gegner mit diesem Vorwurf auf. Alle sollten nach
Frankreich oder Friesach schauen, denn dort ist
dieses Thema längst abgehakt. Bereits nach 2 Jahren hatte
Guédelon 100 000 Besucher und konnte sich
von diesem Moment an bereits selbst finanzieren. Heute ist
Guédelon fast schon eine Art "Pilgerstätte" für
alle Geschichts- und Archäologie-Begeisterten aus ganz
Frankreich und weit darüber hinaus geworden.
Ganze Kohorten von Gymnasialklassen, Studentengruppe,
Archäologiefachleuten sind heute begeisterte
Besucher am Bauprojekt. Und was Sie bei allem z.T. auch
berechtigten Pessimismus verwundern wird, ist
der Sachverhalt, das man sich sowohl in Guedelon als auch bereits
in Freisach vor Angeboten von
Volountären bzw. Freiwilligen kaum retten kann, sodaß man
feststellen kann, das der Idealismus bei der
jungen Generation doch noch nicht ausgestorben ist.
9. Alter
Was mein derzeitiges Alter von 73 Jahren anbelangt, so halte ich
es mit Martin Luther, der ja bekanntlich
sagte, daß er heute noch ein Bäumchen pflanzen würde, wenn er
wüßte, daß die Welt Morgen untergeht. Ich
bin mir vollkommen darüber im Klaren, daß ich selbst hier nur
etwas beginnen kann.
Aber wer nie einen Weg beschreitet, wird auch nie ein Ziel
erreichen!
So höre ich gerne wieder von Ihnen und verbleibe mit herzlichem
Gruß
Ihr
Richard Dimbath
vom Burgverein Wolfratshausen
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