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Mit dem
Notebook um die Schulter gehängt war ich in Köln in
einen Waggon zweiter Klasse eingestiegen und suchte wie
so oft im ICE nach einem nicht reservierten Platz. Neben
einem jungen Mann fand ich schließlich eine
Sitzgelegenheit, wo ich mich niederließ. Auch er hatte
ein Notebook vor sich und würde wohl Verständnis für
mich aufbringen, wenn ich meines danebenstellte. Und
noch ein Dritter gesellte sich mit dem seinen dazu, so
daß wir zusammen eine bedrohliche „Flakstellung“ aufbauten. Mein Gegenüber warf als erster entnervt das
Handtuch und ergriff die Flucht, als er einsah, daß ich
das größere Display hatte und mehr Platz beanspruchte
als er. Auch der junge Mann neben mir war
zwischenzeitlich ausgestiegen, so daß ich endlich frei
von Irritationen meiner Arbeit nachgehen konnte. Da
setzte sich gegenüber von mir eine junge Dame nieder,
und ich war ersichtlich angetan von dem Gedanken, mit ihr
alleine zu sein, denn sie war von einer ungewöhnlichen
Schönheit. Doch würdigte sie mich keines Blickes. So
konnte ich sie ganz ungeniert betrachten, und am
liebsten hätte ich sie auf der Stelle geküßt, bis sie
nach Luft gerungen hätte. Ihre Haut war von einer
bestechenden Reinheit, wie man sie sonst kaum irgendwo
findet. Dazu hatte sie einen rosigen Teint und langes
geschmeidiges, blondes Haar. Das stechende Blau ihrer
Augen, die aufgetuschten Wimpern und der unbewegte,
geradeaus gerichtete Blick verliehen ihr jenen
unnahbaren Stolz, der eine Frau wie eine uneinnehmbare
Festung erscheinen läßt. Allein ihre Schuhe waren von einer
seltenen Einfachheit, woraus ich schloß, daß sie wohl
nicht viel besitzen konnte. Immer wieder, wenn ich von
meinem Display aufschaute, fielen meine Blicke zu ihr
hinüber und blieben an ihrem makellosen Körper haften,
doch sie schien mich völlig zu ignorieren. Gerne hätte
ich sie angesprochen, doch mich störten meine
Mitreisenden links und gegenüber von mir, die sich
zwischenzeitlich zu uns gesetzt hatten und mir die Luft
zum Atmen nahmen. Da sich die junge Dame durch uns
offenbar gelangweilt fühlte und weil sie auch sonst
keiner ansprach, holte sie schließlich eine
Frauenzeitschrift aus ihrer Handtasche und las darin.
Mir fiel auf, daß sie sich für Babykleidung zu
interessieren schien. Während sie nun las, verzog sich
plötzlich ihr Wundwinkel, sie drehte nervös ihr Haar zu
Locken ein, steckte die Strähnen in den Mund und biß
wild darauf herum. Da tat sie mir leid. Wie konnte einem
so blühend aussehenden und mit allen Vorzügen
ausgestatteten Geschöpf ein Kinderwunsch versagt
bleiben? Beinah ärgerlich schlug sie das Journal mit
einem Male wieder zu, steckte es ein und holte statt
dessen ein Comicheft aus ihrem Täschchen hervor. Es
waren schreckliche, dämonisch-grüne Wesen darin
abgebildet. Ich erschrak. Wo eben noch ein Engelsgesicht
zu sehen war, verzog sich jetzt die Mine zu einer
Teufelsfratze. Wild biß sie sie auf ihren Lippen herum,
so daß ich sie schon ansprechen wollte, kaute darauf
herum wie auf einem zähen Stück Fleisch, fletschte die
Zähne wie ein reißender Wolf und verkrampfte ihre
Blicke, so daß sich mir ein Anblick bot wie von einer
Furie. Bei der Vorstellung, daß sie sich mit
Gewalt-Comics aufreizte, jagte es mir eiskalte Schauer
über den Rücken. Sie war eine Hexe. Als sie ihre Lektüre
beiseite legte, war der Spuk vorbei, so schnell wie er
gekommen war. Die wilden Grimassen, die soeben noch ihr
Gesicht entstellten, hatten ihrer Schönheit nicht den
geringsten Abbruch getan, sie saß da, so verführerisch
und unbeschreiblich schön wie zu Anfang. Es war, als
wäre nichts geschehen, und es duftete nach Rosen. Als
sie irgendwann aufstand und ging, vermißte ich sie.
Copyright © 2008, Manfred Hiebl. Alle Rechte vorbehalten.