Was ist Philosophie?
Diese Frage zu beantworten ist nicht
einfach. Die Philosophie, soweit sie sich mit der Natur befaßt, ist heute
weitgehend von den exakten Naturwissenschaften abgelöst worden. Allein was
die Naturwissenschaft bis dato nicht zu beantworten vermag und bloße
Spekulation bleibt, kann heute noch als Philosophie verkauft werden. Die
Lehre vom logischen Denken wiederum ist Teilgebiet der Mathematik geworden,
und was schön und gut ist, bleibt der subjektiven Beurteilung oder der
jeweiligen Kultur überlassen. Somit hält die Philosophie heute nichts
Absolutes mehr in Händen, und genau das ist es, was ihr am meisten geschadet
hat. Dazu kommt, daß bestimmte Fragen, auf die die Philosophie bisher eine
Antwort geben zu können glaubte, etwa die nach dem Sinn des Lebens,
prinzipiell nicht zu beantworten sind. Das rückt sie schon sehr in die Nähe
zur Esoterik, die selbst unter den Pseudowissenschaften nicht gerade das
höchste Ansehen besitzt. Die Frage, die sich der moderne Mensch heute
stellt, ist: Sollen wir das Philosophieren ganz aufgeben und uns rein auf
das materialistische Denken konzentrieren, bis uns der Tod irgendwann aus
dem Leben reißt? Ist ein Leben ohne ständiges Fragen und Nachdenken
überhaupt vorstellbar? Dann wäre es doch geschickter, daß wir uns der
Religion zuwenden oder es dabei bewenden lassen, daß wir uns sagen: »Ich
weiß, daß ich nichts weiß.« Doch Resignation vor den im Prinzip nicht zu
beantwortenden Fragen kann nicht das Schicksal des menschlichen Geistes
sein. Damit haben wir jetzt den zentralen Begriff angesprochen, um den es
uns gehen muß, nämlich unser Schicksal und somit unsere Zukunft, die wir
abseits des Religiösen bewältigen müssen, selbst in die Hand zu nehmen, da
wir uns andernfalls erneut in die Grauzone unserer begrenzten
Erkenntnisfähigkeit begeben. Die Vergangenheit kennen wir schon
– aus ihr können
wir bestenfalls lernen –,
aber die Zukunft haben wir noch vor uns. Sie kann nicht absolut erkannt,
aber sie kann erahnt werden, hochgerechnet, wie der mathematische
Statistiker sagen würde. Philosophie ist wichtig deswegen, weil wie schon in der
Vergangenheit die Zukunft und das Schicksal der menschlichen Existenz davon
abhängen, daß es uns gelingt, sie zu meistern. Die Frage, warum es uns gibt,
ist heute eher müßig, deswegen haben Ontologie und Seinslehre zwar nicht
ausgedient, aber sie helfen uns auch nicht weiter. Ethik ist vor dem
Hintergrund der ersten und der letzten Fragen, die wir nicht beantworten
können, eher zu einer Nebensache geworden, genauso wie Metaphysik. Ästhetik
ist in einer globalen Welt ohnehin zu einer Frage des subjektiven Geschmacks
geworden, so daß uns kaum noch etwas anderes verbleibt, als ein allgemein
anerkanntes Weltbild niederzulegen und daraus eine objektive Weltanschauung
abzuleiten. Das Weltbild existiert bereits, die Weltanschauung muß erst noch
hinzugewonnen werden. Weltbild und Weltanschauung müssen sich eng aneinander
anlehnen, letztere ist nicht ohne die erstere möglich, man kann sich zwar
selbst eine bilden oder irgendeiner fremden anhängen, doch müssen sich die
Gründe dafür letztlich auch überzeugend darlegen lassen, da wir andernfalls
schnell unglaubwürdig werden. Ein objektives Weltbild kann stets nur auf
Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und strenger Wissenschaft
gewonnen werden, es ist frei von irgendwelchen theologischen Zutaten und
religiösen Beigaben. Wenn nun dem Objektiven das Attribut des Wahren
verliehen wird, so kann aus etwas Wahrem niemals etwas Falsches folgen.
Folglich kann es nur eine richtige Weltanschauung geben, alle anderen
Weltanschauungen lassen sich demgemäß nur auf ein falsches Weltbild
zurückführen. Ein Beispiel: Wenn man die Erde in das Zentrum des Universums
rückt, dann ist in Konsequenz der Mensch etwas Besonderes, Auserwähltes,
möglicherweise Beabsichtigtes, und daraus ergeben sich ganz andere
Schlußfolgerungen, als wenn das genaue Gegenteil der Fall ist. Nimmt man als
weiteres Beispiel an, die Kausalität würde nur ein einziges Mal nicht
gelten, nämlich im Zeitpunkt des Urknalls, zur Zeit der Entstehung des
Universums, so stellt sich automatisch die Frage nach einer ersten Ursache,
nach einem Erschaffen der Welt oder gar einem Schöpfer. Maßgeblich von der
Beantwortung solcher Fragestellungen wird dann unser Weltbild ausfallen, und
die Frage, die bleibt, ist, ob wir uns zutrauen dürfen, jetzt schon eine
Antwort darauf zu geben, oder ob wir besser noch abwarten sollten. Doch
Philosophie wirft nicht die Frage auf, wann sie beginnen darf, das hat sie
nie getan, daher hat sie auch Lösungen erarbeitet, die unterschiedlicher
nicht sein könnten.
Fortsetzung folgt