Nachholbedarf in Sachen Freiheit
Deutschland hat in Sachen Freiheit erheblichen Nachholbedarf. Überhaupt
fehlt es an einer grundsätzlichen Definition dieses Begriffs. Freiheit ist
in meinen Augen alles, was nicht durch Gesetz oder Gebot im Sinne einer
Pflicht verboten ist. Recht im freiheitlichen Sinne braucht also nicht
redundant neben die Pflicht gestellt werden, denn alles, was nicht Pflicht
ist, ist ja bereits Recht, ohne daß es dazu einer ausdrücklichen Erwähnung
bedarf. Leider ist diese Logik in Deutschland noch nicht soweit gediehen,
daß man über Redundanzen in unseren Gesetzen nicht stolpern würde. Vieles
würde bedeutend einfacher, wenn man sich den Vorgaben der Logik beugen
würde. Verbote sind ungleich wichtiger als Freiheiten, denn auf
Übertretungen stehen Strafen, während es auf Freiheiten keinerlei Belohnung
gibt. Fangen wir an mit der allerwichtigsten Freiheit, der Freiheit der
Religion und Weltanschauung. Dieser Passus könnte locker aus unserem
Grundgesetz gestrichen werden, wenn man ihn durch ein konkretes Verbot
gewisser Religionen, auf die man sich noch einigen müßte, verständigen
würde. So können also beliebige Religionen so lange ausgeübt werden, solange
nicht im Namen dieser Religionen wiederholt Straftaten begangen werden.
Weltanschauungen können ebenfalls gewaltverherrlichend sein, also müssen sie
durch Verbot in ihrer Ausübung gehindert werden. Rechtliche Ansprüche stehen
dem weder entgegen noch handelt es sich bei ihnen um Freiheiten, da keine
Verbote verletzt werden. Ein Recht auf Arbeit wäre demnach ein staatlich
garantierter Anspruch, sofern er denn gewährt werden kann, und damit ein
reiner Verwaltungsakt. Ein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
kann es hingegen nicht geben, weil die Freiheit des einen der des anderen
zuwiderlaufen kann. Solange niemand gegen Gesetze verstößt, ist dieses Recht
ohnehin selbstverständlich und damit überflüssig. Schwieriger wird es da
schon mit dem Recht auf Datenschutz, welcher einen garantierten Anspruch
beinhaltet, der nicht immer erfüllt werden kann. Der Staat nimmt sich
heraus, alle unsere Daten zu kennen, die wir untereinander aber nicht wissen
sollen. Manchmal geht der Datenschutz sogar soweit, daß wir nicht einmal
Auskunft über unsere Vorfahren erhalten, wenn wir nicht mit diesen in
direkter Linie verwandt sind. Dabei sind der Freiheit von Forschung und
Lehre jedoch Grenzen gesetzt, d.h. diese Freiheit gibt es eigentlich gar
nicht. Jeder Wissenschaftler weiß, daß das Herankommen an die notwendigen
Daten Grundlage seines Arbeitens sind, und wenn er sie nicht bekommt, wird
er in der Ausübung seiner Arbeit behindert. Da wäre es ehrlicher zu sagen,
daß Forschung und Lehre eben nicht frei sind und man diese Freiheit aus den
Gesetzen streicht. Die derzeit heikelste Freiheit ist die Meinungsfreiheit.
Solange es verboten ist, über irgendwelche Dinge seine freie Meinung zu
äußern, existiert diese Freiheit eigentlich nicht. Klarer wäre es zu sagen,
daß es bei Strafe verboten ist, den Holocaust zu leugnen, um nicht den
Anschein einer vorgeblichen Meinungsfreiheit zu wahren. Auch mit der
Freiheit der Weltanschauung gibt es Ungereimtheiten. Wer etwa die
Weltanschauung vertritt, daß es Rassen gibt, und daß diese unterschiedlich
sind, handelt sich den Vorwurf des Rassismus ein, womit seine Weltanschauung
nicht mehr frei ist. Derartige Widersprüche ziehen sich durch unsere gesamte
Gesetzgebung, ohne daß es jemandem auffällt. Für den Bürger können diese
Ungereimtheiten aber schnell ziemlich unangenehm werden, wenn plötzlich der
Verfassungsschutz vor der Türe steht und ein „hochnotpeinliches“ Verhör mit
einem durchführt. Für den Verfassungsschutz ist vorrangig der gesicherte
Grenzverlauf wichtig, und daß es daran keinen Zweifel geben darf.
Zum Beispiel stellt der deutsch-polnische Grenzvertrag vom 14. November
1990 einen zwischen Deutschland
und Polen geschlossenen
völkerrechtlichen Vertrag dar, der die
Unverletzlichkeit der Staatsgrenze
garantiert und damit einen Gewaltverzicht
darstellt. Vereinigungen, die sich gegen den Gedanken der
Völkerverständigung richten, sind nach Art. 9 GG verboten. Einzelpersonen
ist es nach diesem Artikel jedoch nicht ausdrücklich verboten, darüber ihre
persönliche Meinung zu haben, d.h. es ist nicht Aufgabe des
Verfassungsschutzes, Einzelpersonen im Hinblick auf Art. 9 GG unter
Generalverdacht zu stellen. Der Verfassungsschutz darf allenfalls prüfen, ob
Personen einer solchen Vereinigung angehören. Das kann auch durch eine
persönliche Befragung erfolgen. In keinem
Falle darf dabei nach Art. 19 GG das Grundrecht der Freiheit der
Meinungsäußerung in ihrem Wesensgehalt angetastet werden. Selbst
Parteimitglieder, deren Parteien nach Art. 21
nicht von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen sind, und die damit gar
nicht darauf ausgerichtet sein können, die freiheitlich-demokratische
Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, dürften diesem Verdacht
eigentlich nicht unterzogen werden. Wird jemand dennoch derart durch die
öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg
offen. Demnächst wird es wohl noch dahin kommen, daß imperiale
Strategiespiele auf dem Computer verboten werden, weil darin ein König sein
Machtgebiet ausweitet und die Grenzen verschiebt. Beispiele für solche
Imperien können etwa das Alexanderreich, das Römische Reich oder das
Habsburgerreich sein. Derjenige, der dann ein solches Spiel spielt, macht
sich bereits verdächtig, gegen die Völkerverständigung verstoßen zu haben
oder nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu
stehen. Apropos Freiheit! Welche Freiheiten haben wir eigentlich noch in
einer Demokratie, wenn wir uns ganz allmählich dem Überwachungs- bzw.
Bespitzelungsstaat nähern? All das erinnert stark an die SED-Herrschaft, auf
die die Bundesregierung augenscheinlich stark zusteuert, mit dem einzigen
Unterschied, daß wir keine Stasi haben, sondern eine Medienüberwachung.
Wehe, wenn jemand eine eigene Webseite betreibt und sich damit verdächtig
macht. Das ist ein absoluter Fallstrick, weil einem jedes Wort auf dieser
Webseite in die Waagschale gelegt werden kann. Zudem könnte diese Webseite,
wenn man gleichzeitig noch einer Partei angehört, zu dem Mißverständnis
führen, dieser Partei zu einer Plattform zu verhelfen. Dann schrillen in den
Augen unserer Verfassungshüter die Alarmglocken und sie schreiten zur Tat,
vor allem in Zeiten einer rückläufigen Bedrohungslage, wenn ausreichend
Spielraum für beliebige Überprüfungen bleibt. Ein Staat, der sich gegen
Insekten schützen muß, liegt entweder in Afrika, oder es handelt sich um die
Bundesrepublik Deutschland. Deutschland – was ist das, wenn bereits die
Geschichte der letzten 150 Jahre nicht mehr an Hochschulen gelehrt werden
darf? Denn diese Lehre, selbst wenn sie angeblich nach Art. 5 GG frei ist,
verstößt gegen das Völkerverständigungsprinzip. Als gegen die
Völkerverständigung gerichtet faßt man demnach Organisationen und
Institutionen auf, die ein friedliches Zusammenleben mit meist gewalttätigen
Mitteln zu verhindern versuchen. Das können aber niemals Einzelpersonen
sein, und dennoch werden Einzelpersonen als dringend tatverdächtig in
Deutschland unter die Lupe genommen, immer mit dem Vorwand, sie könnten ja
schließlich einer solchen Organisation angehören. Das kommt mir so vor, wie
wenn man Geschwindigkeitsübertretungen mit dem Auge schätzt, anstatt sie
nachzuweisen. Eigentlich ist das Zeitalter der Geheimbünde in Deutschland
vorbei, denn als Verein kann nur angesehen werden, wer amtlich als solcher
registriert ist, und das schließt Dunkelziffern weitgehend aus. Zudem ist
der Begriff der Völkerverständigung noch nicht einmal definiert. Unter
Völkerverständigung versteht man landläufig eine tiefgreifende Kommunikation
zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Kulturkreisen oder anderen
vergleichbaren großen Gruppen auf allen Ebenen. Was aber, wenn jemand gar keinen Kulturaustausch
will und lieber seine eigenen Traditionen pflegen und bewahren möchte, weil
er mit der Pflege aller möglichen fremden Kulturen auf allen Ebenen ganz
einfach überfordert ist? Derjenige wäre nach deutschem Recht bereits ein
Staatsfeind. Wehe, wenn sich der Bayer beim Verzehr einer Weißwurst
erwischen läßt, anstatt billiger beim Thai zu essen. Dieser ist ein
erklärter Feind unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und muß
eingehend beobachtet werden. Zur deutschen Mentalität gehört nun einmal die
Übertreibung auf nahezu allen Gebieten und das Verfallen in Gegensätze – was
eben gerade opportun ist. Wahrlich schlimm! Erstaunlich, daß noch keiner
gemerkt hat, daß das Heimatministerium auch gegen die Völkerverständigung
verstößt, weil man ja den gesellschaftlichen Zusammenhalt mit dem
Heimatbegriff schlichtweg ablehnen muß. Derart ist es also um die Logik in
den Köpfen unserer Politiker bestellt.
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