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Das Sterben der Fürsten
Ein Gemälde an Balduin I. König von Jerusalem (1099-1118)
Im Sommer 1110 kam eine prächtig gerüstete norwegische Flotte nach Syrien. Zehntausend Mann waren an Bord, an ihrer Spitze der junge König Sigurd. Den alten Wikingern gleich, nach Heldentaten dürstend, war er schon drei Jahre zuvor von der Heimat abgesegelt, hatte an den spanischen Küsten viele Mohammedaner erschlagen und beraubt, in Sizilien mit den stammverwandten Normannen freundschaftlich verkehrt, und sehnte sich nun sowohl nach dem Gebete am Heiligen Grabe wie nach heißem Kampfe mit den Feinden Jesu Christi. Balduin schenkte ihm auf sein dringendes Verlangen ein Stück von der Reliquie des heiligen Kreuzes: dann ging's hinaus gen Sidon, die Scharte, die die Jerusalemiten dort vor zwei Jahren erlitten hatten, endlich auszuwetzen. Die Stadt wurde von Heer und Flotte beider Könige, denen sich auch ein venezianisches Geschwader zugesellte, eng eingeschlossen und bald in große Not gebracht.
Nach Sidon
"Am 16. Juni 1117 ereignete sich eine Mondfinsternis, und am 11. Dezember eine zweite; fünf Nächte danach flackerte die seltene Erscheinung der Aurora Borealis über den palästinensichen Himmel. Dies war ein schreckliches Zeichen, das den Tod von Fürsten verhieß. Und es log nicht. Am 21. Januar 1118 starb Papst Paschalis in Rom. Am 16. April beschloß die einstige Königin Adelheid ihr gedemütigtes Dasein in Sizilien. Ihr falscher Freund, der Patriarch Arnulf, überlebte sie nur um zwölf Tage. Am 5. April starb der Sultan Mohammed in Iran; am 6. April der Kalif Mustazhir in Bagdad. Am 15. April schied nach langer und schmerzhafter Krankheit der größte aller Machthaber des Ostens, der Kaiser Alexios, in Konstantinopel aus dem Leben. Zu Beginn des Frühjahrs kehrte der König Balduin aus Ägypten zurück. Sein erschöpfter, überanstrengter Körper besaß keine Widerstandskraft mehr. Seine Soldaten trugen den Sterbenden zurück zur kleinen Grenzfestung von el-Arisch. Dort, knapp jenseits der Grenze des Königreichs, das ihm sein Dasein verdankte, starb er am 2. April 1118 in den Armen des Bischofs von Ramleh. Sein Leichnam wurde nach Jerusalem gebracht und am Palmsonntag, dem 7. April, in der Heiligen Grabeskirche an der Seite seines Bruders Gottfried zur ewigen Ruhe gebettet. Wehklagen von Franken und einheimischen Christen gleichermaßen begleiteten den Trauerzug; und selbst die zu Besuch weilenden Sarazenen waren ergriffen. Er war ein großer König gewesen, hart und bedenkenlos, nicht geliebt, aber zutiefst geachtet um seiner Tatkraft, seines Weitblicks und der Ordnung und Gerechtigkeit seiner Herrschaft willen. Er hatte ein kleines, schwankendes, anfälliges Reich geerbt; aber seine kriegerische Kraft, sein diplomatisches Geschick und seine weise Duldsamkeit hatten ihm einen festen Platz unter den Königreichen des Ostens verschafft. (Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge)
Zeichnung: Hansrudi Wäscher