Die Beizjagd

nach arabischen Quellen


Die Beizjagd war in Europa vor den Kreuzzügen nicht bekannt. Erst durch die Araber lernten die europäischen Fürsten den Umgang mit Greifvögeln und deren Einsatz bei der Jagd. Mit Friedlich II. von Hohenstaufen kam die Kunde hiervon auch zu uns. Zeitgenössische Berichte über die Beizjagd sind u.a. den arabischen Quellen aus der Zeit des 12. Jahrhunderts zu entnehmen, wie etwa dem autobiographischen Werk von Usâma ibn Munqidh:

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Ein rotäugiger und ein fränkischer Habicht

"Mein Vater war gesegnet mit seltenen und geschickten Beizvögeln, weil er so viele Beizvögel hatte, daß die geschicktesten darunter auffielen. In einem der Jahre hatte er auch einmal einen in Gefangenschaft vermauserten Habicht mit roten Augen, der einer der geschicktesten Habichte überhaupt war. Da kam ein Brief von meinem Oheim Tadschal'umarâ Abu l'Mutawwadsch Muqallad aus Ägypten, wo er im Dienste des Kalifen al-Âmir stand. Mein Oheim schrieb: »Bei einem Beisammensein mit al-Afdal hörte ich, wie jemand von deinem rotäugigen Habicht erzählte und wie al-Afdal sich dann bei dem Erzähler nach dem Habicht und seiner Art zu jagen erkundigte.« Daraufhin ließ mein Vater den Habicht von seinem Falkner zu al-Afdal bringen. Den Habicht vor sich, fragte al-Afdal: »Dies ist also der Habicht mit den roten Augen?« Und als der Falkner bejahte, fragte al-Afdal weiter: »Worauf macht er Jagd?« Da antwortete der Falkner: »Er jagt alle Vögel von der Wachtel bis zum Rebhuhn.« Der Habicht blieb eine Zeitlang in Ägypten, dann entwich er und verschwand. Nachdem er ein Jahr lang zwischen wilden Feigenbäumen im freien Feld gelebt und auch gemausert hatte, fingen sie ihn wieder ein. Danach erhielten wir einen Brief von meinem Oheim, in welchem er schrieb: »Der rotäugige Habicht war verlorengegangen und hat in den wilden Feigenbäumen gemausert. Man hat ihn jedoch wieder eingefangen und jagt wieder mit ihm. Und für die Vögel stellt er wieder ein großes Verhängnis dar!«

Eines Tages waren wir bei meinem Vater, als ein Bauer aus Ma'arrat an-Nu'man einen vermauserten Habicht mit gebrochenen Flügel- und Schwanzfedern brachte, der so gewaltig wie ein großer Adler war. Ich habe nie einen Habicht wie diesen gesehen. Der Bauer erklärte:

»O mein Gebieter! Ich habe Schlingen ausgelegt, um Holztauben zu fangen. Da schlug dieser Habicht eine Holztaube in der Schlinge. Ich habe ihn gefangen und bringe ihn nun zu dir.« Mein Vater nahm den Habicht und belohnte den Bauern reichlich für sein Geschenk. Der Falkner brachte die Federn des Habichts wieder in Ordnung, trug ihn herum und zähmte ihn. Dabei zeigte sich, daß er bereits ein jagdgewohnter Habicht war, der in Gefangenschaft vermausert, dann den Franken entkommen war und in den Bergen von Ma'arra gemausert hatte. Er war dann einer der geschicktesten und klügsten Beizvögel."

 

Der Text ist entnommen dem Buch Usâma ibn Munqidh, EIN LEBEN IM KAMPF GEGEN KREUZRITTERHEERE, Aus dem Arabischen übertragen und bearbeitet von GERNOT ROTTER, erschienen im HORST ERDMANN VERLAG, 1978.

Die Abbildung ist entnommen dem neuen Kosmos Tier- und Pflanzenführer, Verlag Franckh-Kosmos, 1994.