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»Ruft dies aus
unter den Heiden! Bereitet euch zum heiligen Krieg! Bietet die
Starken auf! Laßt herzukommen und hinaufziehen alle Kriegsleute!
Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße!
Der Schwache spreche: Ich bin stark!« Joel 4,9.10
Die Rede Papst Urbans des Zweiten auf
dem Konzil von Clermont 1095
Liebste Brüder,
ich, Urban, oberster Pontifex
und mit Gottes Duldung Prälat der gesamten Welt, bin
in dieser Zeit drängendster Not zu Euch, den Dienern
Gottes in diesen Gebieten, als Überbringer
göttlicher Ermahnung gekommen. Ich hoffe, daß jene,
die Verwalter geistlicher Ämter sind, rein und
ehrlich und frei von Heuchelei angetroffen werden.
Denn wenn
einer verschlagen und unredlich ist und sich weit von
einem Maß an Vernunft und Gerechtigkeit entfernt hat
und das Gesetz Gottes vereitelt, dann werde ich mir
mit göttlicher Unterstützung Mühe geben, ihn
zurechtzuweisen. Denn der Herr hat Euch zu
Haushaltern Seiner Hofhaltung gemacht, auf daß Ihr
Ihn, wenn die Zeit naht, mit Speise maßvoller
Würze versehen könnt. Ihr werdet freilich selig,
wenn der Herr des Verwalteramtes Euch das tun sieht. Man nennt Euch Hirten; seht zu,
daß Ihr nicht die Arbeit von Gedungenen verrichtet.
Seid wahre Hirten, die stets ihren Krummstab in
Händen halten; und schlafet nicht, wachet nach jeder
Seite über die Herde, die Euch anvertraut ist. Denn wenn aus Sorglosigkeit oder
Nachlässigkeit ein Wolf ein Schaf hinwegträgt,
werdet Ihr sicher nicht nur des Lohns, der von Unserm
Herrn für Euch bereitlag, verlustig gehen, sondern
Ihr werdet, nachdem Ihr zuerst mit den Ruten des
Liktors geschlagen worden seid, fristlos in den
Aufenthalt der Verdammten geschleudert. Mit den Worten des Evangeliums:
»Ihr seid das Salz der Erde.« Doch wenn Ihr
fehlt, wie soll dann das Salzen geschehen? O wie
viele Menschen müssen gewürzt werden! Es tut not,
daß Ihr die Unwissenden, die allzusehr nach den
Lüsten der Welt trachten, mit dem Linderung
verschaffenden Salz Eurer Weisheit bestreut. Sonst
werden sie durch ihre Vergehen verfaulen und
unbestreut angetroffen werden, wenn der Herr zu ihnen
spricht. Denn wenn Er wegen Eurer trägen
Pflichterfüllung Würmer in ihnen entdeckt, d.h.
Sünden, wird Er sie, die Er verschmäht, in den
Abgrund der Hölle werfen lassen. Und weil Ihr nicht
in der Lage sein werdet, Ihm einen solchen Verlust
zurückzuerstatten, wird Er Euch, von Seinem Urteil
dazu verdammt, stracks aus Seiner Liebe Allgegenwart
verbannen. Denn einer, der ausstreut, sollte
klug, weitblickend, maßvoll, gelehrt,
friedensstiftend, wahrheitssuchend, fromm, gerecht,
unparteiisch und rein sein. Denn wie sollen
Ungelehrte andere zu Gelehrten machen, Maßlose
andere maßvoll und Unreine andre rein? Wie kann
einer, der den Frieden haßt, Frieden herbeiführen?
Oder wenn einer befleckte Hände hat, wie kann der
jene reinwaschen, die durch andere Verunreinigung
beschmutzt sind? Denn es steht geschrieben:
»Wenn aber ein Blinder den andern führt, so
fallen sie beide in die Grube.« Tadelt folglich zuerst Euch
selbst, so daß Ihr dann ohne Vorwurf jene, die unter
Eurer Obhut stehen, zurechtweisen könnt. Wenn Ihr
wahrhaftig Freunde Gottes heißen wollt, dann tut
frohen Herzens das, wovon Ihr wißt, daß es Ihn
erfreut. Seht insbesondere zu, daß die
Angelegenheiten der Kirche getreu ihrem Gesetz
bewahrt werden, so daß simonische Häresie durch
nichts unter Euch Wurzeln schlägt. Sorgt dafür,
daß Verkäufer und Käufer, von den Peitschenhieben
des Herrn gegeißelt, elendiglich hinausgetrieben
werden durch die engen Pforten in die äußerste
Verdammnis. Haltet die Kirche in all ihren
Rängen gänzlich frei von weltlicher Macht,
veranlaßt, daß der Zehnte aller Gaben der Erde
gewissenhaft an Gott abgetreten wird, und laßt nicht
zu, daß er verkauft oder einbehalten wird. Wer auch immer sich an einem
Bischof vergriffen hat, solle verflucht sein. Wer
immer sich an Mönchen oder Priestern oder Nonnen und
ihren Dienern oder Pilgern und Händlern vergriffen
hat und sie beraubt hat, möge verflucht sein. Diebe
und wer Häuser niederbrennt und ihre Komplizen
sollen aus der Kirche verbannt und exkommuniziert
werden.
»Danach müssen wir besonders
erwägen,« sagte Gregor,
»wie schwer
derjenige bestraft werden muß, der einem anderen
etwas stiehlt, ob er etwa zu Höllenstrafen verdammt
ist, weil er mit dem eigenen Besitz nicht freigebig
umgegangen ist.« Denn so geschah es dem Reichen
in der bekannten Geschichte aus dem Evangelium. Er
wurde nicht bestraft, weil er einem anderen etwas
stahl, sondern weil er die Reichtümer, die er
empfangen hatte, schlecht verwendete. Durch diese Sünden, liebste
Brüder, hattet Ihr die Welt lange Zeit in Unordnung
geraten sehn, und ganz besonders in manchen Teilen
Eurer Provinzen, wie man uns erzählt hat. Vielleicht
aufgrund unserer eigenen Schwäche, Recht zu
sprechen, wagt sich kaum noch einer, der auf
Sicherheit baut, auf den Straßen zu reisen, aus
Angst, am Tag von Räubern heimgesucht zu werden oder
in der Nacht von Dieben, mit Gewalt oder Hinterlist,
zu Hause oder draußen. Und deshalb sollte der
Gottesfriede, wie er genannt zu werden pflegte, der
vor langer Zeit von den heiligen Vätern eingeführt
wurde, erneuert werden. Ich rate jedem von Euch
dringend, ihn in Eurer eigenen Diözese strikt
durchzusetzen. Doch wenn einer, der von Habgier oder
Hochmut befallen ist, diesen Frieden bereitwillig
bricht, möge er sich kraft Gottes Amtsgewalt und mit
Billigung der Entscheide dieses Konzils unter die
Exkommunizierten einreihen. Weil Ihr Ihm, o Söhne Gottes,
gelobt habt, untereinander Frieden zu halten und für
die Rechte der heiligen Kirche aufrichtiger als
bisher treu einzustehen, verbleibt Euch eine wichtige
Aufgabe, die jüngst durch göttlichen Eingriff
wachgerüttelt sich sowohl für Euch als auch für
Gott ziemt, bei der Ihr die Ernsthaftigkeit Eures
guten Willens erweisen könnt. Denn Ihr müßt Euch
sputen, um Euren im Osten lebenden Brüdern, die Eure
Unterstützung brauchen, um die sie oft dringend
nachsuchten, Hilfe zu bringen. Denn die Türken, ein persisches
Volk, haben sie angegriffen, wie viele von Euch
bereits wissen, und sind bis zu jenem Teil des
Mittelmeers, den man den Arm des heiligen Georg
nennt, auf römisches Territorium vorgedrungen. Sie
haben immer mehr Länder der Christen an sich
gerissen, haben sie bereits siebenmal in ebenso vielen
Schlachten besiegt, viele getötet oder
gefangengenommen, haben Kirchen zerstört und haben
Gottes Königreich verwüstet. Wenn Ihr ihnen
gestattet, noch viel länger weiterzumachen, werden
sie Gottes gläubiges Volk auf weiter Flur
unterwerfen. Und deshalb ermahne ich, nein,
nicht ich, ermahnt Gott Euch als inständige Herolde
Christi mit aufrechter Bitte, Männer jeglichen
Standes, ganz gleich welchen, Ritter wie
Fußkämpfer, reiche und arme, wiederholt
aufzufordern, diese wertlose Rasse in unseren
Ländern auszurotten und den christlichen Bewohnern
rechtzeitig zu helfen. Ich richte mich an die Anwesenden,
ich verkündige es jenen, die abwesend sind;
überdies befiehlt es Christus. All jenen, die
dorthin gehen, ob sie auf dem Landweg marschieren
oder übers Meer fahren oder im Kampf gegen die
Heiden das Ende dieses Lebens in Gefangenschaft
finden, werden ihre Sünden vergeben. Dies gewähre
ich all denen, die gehn, kraft der Vollmacht, mit der
Gott mich ausgestattet hat. O welch eine Schande, wenn eine
Rasse, die so verächtlich, so verkommen und von
Dämonen geknechtet ist, auf solche Art ein Volk
überwinden sollte, welches mit dem Glauben an den
allmächtigen Gott ausgestattet ist und im Namen
Christi glänzt. O welche Vorwürfe werden Euch vom
Herrn selbst zur Last gelegt, wenn Ihr nicht jenen
geholfen habt, die wie Ihr dem christlichen Glauben
zugerechnet werden! Jene, die leichtfertig einen
persönlichen Krieg gegen die Gläubigen zu führen
pflegen, mögen nun gegen die Ungläubigen in einen
Krieg ziehen, der jetzt begonnen und siegreich zu
Ende gebracht werden sollte. Jene, die lange Räuber
gewesen sind, mögen nun zu Streitern Christi werden.
Die, die einst gegen Brüder und Verwandte kämpften,
mögen nun rechtmäßig gegen Barbaren kämpfen.
Jene, die käuflich gewesen sind für einige Stücke
Silbers, sollen nun ewigen Lohn empfangen. Jene, die
sich selbst zum Nachteil von Körper und Seele
erschöpft haben, sollen nun um doppelten Ruhm
arbeiten. Zur einen Hand, fürwahr, werden die
Traurigen und die Armen sein, zur anderen die
Fröhlichen und die Wohlhabenden, hier die Feinde des
Herrn, dort Seine Freunde. Nichts möge jene, die sich
anschicken zu gehen, aufhalten. Sie sollen ihre
Angelegenheiten regeln, Geld anhäufen, und wenn der
Winter vorbei und der Frühling gekommen ist, die
Reise unter der Führung des Herrn voll Eifers
antreten.
Copyright © 2001 Manfred Hiebl. Alle Rechte
vorbehalten.
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