17. Dezember 2007
Herr Oswald H. schrieb:
Lieber Herr Hiebl,
beim Recherchieren im Netz
bin ich, nicht ganz zufällig, auf Ihre Hompage gestoßen. Was sag ich
da - ein Superding! besonders die verschiedenen von Ihnen erstellten
Ahnenlisten und Stammtafeln haben es mir angetan. Seit langem
beschäftige ich mit mit Heiratskreisen mittelalterlicher
Herrschergeschlechter, sozusagen als Nebenerscheinung zu meiner
Leidenschaft der Familienforschung. Bei letzterem kann ich mich zum
Glück der Originalquellen bedienen. Bei der Zusammenstellung der
verschiedenen Heiratskreise bin ich auf vorhandene Literatur
angewiesen. Darf ich Sie nun ganz unverblümt fragen, ob sie
Historiker sind oder wie Sie sonst zu dieser tollen Fülle an Daten,
die sie dann zu Stamm- und Ahnenlisten zusammengestellt haben,
kommen. Bitte betrachten sie es nicht als Mißtrauen und sehen Sie es
keinesfalls als irgendeine unverschämte Unterstellung, aber ich
verwende ausschließlich Daten, bei denen ich mit großer
Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, daß sie sorgfältig
recherchiert sind bzw. daß sie wissenschaftlich fundierter
Fachliteratur entstammen. Leider habe ich im Internet in diesem
Zusammenhang auch schon jede Menge unseriösen Blödsinn ausgegraben,
daher bin ich da halt doch recht vorsichtig.
Ich danke Ihnen für eine
kurze Antwort und schicke herzliche vorweihnachtliche Grüße aus
Tirol.
Oswald H.
Antwort:
Lieber Herr H.,
uns verbinden offenbar zwei
ganz ähnlich gelagerte Interessen, die auf eine gemeinsame Wurzel
zurückgreifen, nämlich die Vorliebe für Geschichte. Man könnte nun
sicher einen ganzen Aufsatz verfassen, woher diese Neigung rührt.
Für mich kann ich die Antwort geben, was Sie betrifft, wird es bei
Ihnen wohl ähnlich sein.
Im Manne, ja selbst schon
im Kind, steckt die Neigung zum Kämpfen, und diese Veranlagung ist
sicher angeboren. Sie ist im Grunde nichts Schlechtes, denn
Kämpfernaturen sind in der Regel durchsetzungsfähiger, werden also
vom Leben bevorzugt. Vielleicht hat mich auch unbewußt
mein
Großvater beeinflußt, der ganz ähnliche Neigungen besaß. Er war
Kriegsfreiwilliger im ersten Weltkrieg und wurde mit den beiden
Eisernen Kreuzen und der Nahkampfspange ausgezeichnet. Er kämpfte an
der Ost- und an der Westfront. Ich habe seinen Erzählungen über
seine Kriegserlebnisse immer gerne gelauscht, aber dabei wurde mir
auch klar, daß ein heutiger Soldat kaum Überlebenschancen hat, weil
nicht der Kampf Mann gegen Mann, sondern die Streuwirkung von
Splittergranaten und damit der Zufall entscheidet, ob einer
durchkommt oder nicht. Mein historisches Interesse rührt daher, daß
ich mir in meiner Fantasie einen Ersatzkriegsschauplatz gewählt
habe, der mir die Möglichkeit bot zu »überleben«.
So gesehen kommen hier für eine »Bewährungsprobe«
nur Schlachten der Antike oder des Mittelalters in Frage, auf jeden
Fall die Zeit vor Erfindung der Feuerwaffen. Ich hasse Kriege, wo
aus Gewehren geschossen wird, denn diese sind meuchelmörderisch und
unritterlich. Das Rittertum ist sozusagen das Ideal, wie zwei Männer
im Kampf ihre Kräfte miteinander messen können. Ich habe diese Art
zu kämpfen immer bewundert.
Nein, ich bin kein
Historiker, ich wollte Geld verdienen und habe Naturwissenschaften
studiert und es nicht bereut. Geschichte ist mein Hobby geblieben.
Nun zu ihrer letzten Frage:
Ich habe meine Quellen nicht immer angegeben, aber nicht, weil ich
mich eigener Leistungen rühmen möchte, sondern nur aus Schlamperei.
Dennoch gibt es diese Quellen: In meinem Bücherschrank stehen die
Werke von Wegener, Professor Dungern, Gewin, Tyroller, die
europäischen Stammtafeln und viele andere. Auch Aufsätze habe ich
mir reichlich besorgt. Ich habe mich bei allen bedient, manchmal
auch aus dem Bauch heraus die Meinung desjenigen vertreten, dessen
Argumente mich am meisten überzeugt haben. In einigen schwierigen
Fällen bin ich mir bis heute nicht sicher, wem ich glauben soll,
z.B. bei den frühen Wittelsbachern.
Die Zählung habe ich so
vorgenommen, daß wenigstens innerhalb meiner Seiten keine
Widersprüche entstehen. Auf jeden Fall stütze ich mich nur auf
namhafte Autoren, und nicht auf das, was die Sage hinzugedichtet hat
oder von irgendeiner Internetseite stammt. Über die Art, wie
unübersichtlich und unlogisch Genealogien manchmal dargestellt sind,
bin ich schon oft gestolpert. Das hat mich schließlich veranlaßt,
die grafische Darstellung vorzuziehen. Und die gibt es in der Tat im
Internet selten. Schwierig wird es natürlich, wenn einer, Graf oder
Herzog, Kinder aus mehreren Ehen hatte, hier kann man nur farblich
unterscheiden. Wo es mir gelungen ist, habe ich die
Farbkombinationen so gewählt, daß sie den originalen Wappenfarben
des jeweiligen Geschlechts entsprechen.
Ich betreibe diese
Genealogieseiten im wesentlichen für mich selbst, in Ergänzung zu
den jeweiligen Burgenbeschreibungen, die ich dazu verfaßt habe, um
mir so einen schnellen Überblick über geschichtliche Zusammenhänge
verschaffen zu können. Es ist faszinierend zu erleben, wie sich
diese rudimentären Splitter unserer Vergangenheit zu einem
geschlossenen Ganzen formen, je tiefer man eindringt. Plötzlich
blickt man durch, nachdem man lange im Trüben gefischt oder im Nebel
herumgestochert hat. So eröffnen sich völlig neue Perspektiven, die
auch Nahrung für Schöngeistiges bieten. Wenn man alle diese
Informationen feinsäuberlich zusammengetragen hat, sollte es eines
Tages möglich sein, z.B. den zweiten Kreuzzug zu schildern, wer
daran teilgenommen hat und in welchen Farben er aufgetreten ist,
woher er kam und wohin er ging, mit wem er befreundet war und wen er
befehdet hat, eine tolle Aussicht!
Ich bin natürlich völlig
unschuldig, wenn die Suchmaschinen meine Seiten ausgraben, aber der
Wert des Internets besteht eben darin, daß man alle seine
Informationen verlinken kann. Dies ist zum Teil zwar noch nicht
geschehen, aber es wird nachgeholt.
Wenn Ihre Fragen nunmehr
beantwortet sind, verbleibt mir nur noch, Ihnen ein frohes und
gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Hiebl