25. Februar 2014
Herr Jens K. schrieb: Sehr geehrter Herr Hiebl,
bei Recherchen zu Theologie, Glauben
und dem obigen Betreff bin ich auf Ihre
»Anthropologische
Begründung des Glaubens«
gestoßen. Dieser Text hat mich verwirrt, so daß ich mir nochmals mit Hilfe
des Internets vor Augen geführt habe, was man eigentlich unter Anthropologie
versteht, siehe Anhang.
Es erhebt sich für mich die Frage:
Von welcher Anthropologie sprechen Sie eigentlich in Ihrer Veröffentlichung?
Mit freundlichen Grüßen
Jens K.
Antwort: Sehr geehrter Herr
K.,
in der Definition, die Sie mir geschickt haben, ist die Theologische
Anthropologie ein Teilgebiet der Theologie. Von dieser spreche ich aber
nicht, denn ich betrachte die »Theologie«,
genauer gesagt jede Form von Glaubensäußerung, wie jede andere grundlegende
menschliche Regung rein biologisch, d.h. naturwissenschaftlich, und nicht
geisteswissenschaftlich. Die Anthropologie als die Lehre vom Menschen ist
weder rein den Naturwissenschaften noch eindeutig den Geisteswissenschaften
zuzuordnen. Religion, nicht Theologie, ist gewiß Teil der
Kulturanthropologie, da die Kultur den Menschen vor allen anderen Lebewesen
auszeichnet. Man weiß heute, daß bereits der Neandertaler seine Toten
bestattete. In der Evolution des Menschen ist daher der Zeitpunkt von
Interesse, als das Nachdenken und die Sinnfrage einsetzten. Weil aber der
frühe Mensch noch nicht mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, über die
wir heute verfügen, ausgestattet war, lebte er in seiner Vorstellungswelt
noch lange im Aberglauben. Ich setze Glaube und Aberglaube begrifflich
gleich, weil es ja bis heute keine wahre Religion gibt, die den Anspruch,
über Wissen zu verfügen, für sich erheben könnte. Die Bestattung der Toten
ist in der Entwicklung des Menschen ein sicheres Indiz, daß er bereits an
ein Weiterleben nach dem Tode geglaubt haben muß, sonst hätte er die Toten
nicht mit irdischen Grabbeigaben ausgestattet.
Über die Frage, wie es in der Evolution zu bestimmten Glaubensvorstellungen
gekommen ist, ließen sich bestimmt einige Doktorarbeiten vergeben. Mein
bescheidener Ansatz war es, den Glauben als einen Überlebensvorteil zu
beschreiben, der dem, der ihn hat, zu innerem Halt und psychischer
Stabilität verhilft. Daß der werdende anatomisch moderne Mensch in seinen
religiösen Vorstellungen mit den Naturwissenschaften Kompromisse eingehen
mußte, liegt auf der Hand. Bekanntlich besitzen manchmal auch Placebos
heilende oder helfende Wirkung. So verhält es sich auch mit dem Glauben.
Auch Atheismus ist eine Form des Glaubens und besitzt dieselbe
Signalwirkung, weil es nur auf die innere Stärke ankommt.
Ich kann meine Darstellung leider in keine gängige Disziplin einordnen,
jedenfalls nicht in eine solche, die Sie mir vorschlagen. Doch warum, frage
ich Sie, soll es verboten sein, neue Wege zu beschreiten, selbst wenn man
auf diesen anfangs noch sehr allein ist? Müssen wir uns wirklich in ein
geläufiges Grundgerüst einfügen, nur damit einem anderen geholfen ist? Oder
sollten wir nicht besser versuchen, den in die Tiefe ziehenden Kräften des
Strudels zu entfliehen und uns kräftig vom Boden abstoßen? Ideen fragen
nicht danach, was es bisher schon gibt. Und längst nicht mehr steht die
Inquisition über allem, um zu unterdrücken, was unterdrückt werden muß. Wer
folgen kann, der möge folgen, und wer lieber zurückbleibt, der möge
zurückbleiben.
Ich hoffe hiermit Ihre Fragen wie ein ergebener Diener beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Hiebl