WILHELM von Tyrus,
Geschichtsschreiber (1130 - 29.9. 1186). - Geboren in Jerusalem
als Sproß einer am Anfang des 12. Jahrhunderts aus Italien oder
Frankreich nach Palästina ausgewanderten, wohlhabenden Familie,
begab sich W. um das Jahr 1145 in den Westen, um dort fast 20
Jahre lang zu studieren. 1165 nach Palästina zurückgekehrt,
wurde er im Frühjahr 1168 von König Amalrich von Jerusalem mit
einer diplomatischen Mission beauftragt. Zugleich ermutigte ihn
der König, die Geschichte der Kreuzfahrerstaaten zu schreiben.
In der Folgezeit fungierte er als Erzieher des Königssohnes, des
späteren Königs Balduin IV., nach dessen Thronbesteigung W. zum
Kanzler des Königreichs Jerusalem ernannt wurde. Am 8.6. 1175
erhielt W. in der Kirche des Heiligen Grabes durch den
Patriarchen Amalrich die Weihe zum Erzbischof von Tyrus. 1184
trat er von seinem Amt des Kanzlers zurück. Er ist in Jerusalem
gestorben. - W. gilt als einer der besten Geschichtsschreiber des
Mittelalters. Sein Geschichtswerk ist nicht nur wichtigste Quelle
für die Geschichte der Kreuzfahrerstaaten des Orients im 12.
Jahrhundert, sondern gilt zugleich als vorbildlich abgefaßte
Chronik sowohl was Gliederung des Stoffes und Feinheit des Stils
als auch was Vorurteilslosigkeit und kritische Haltung anbelangt.
Hauptwerk W.'s ist seine
Chronik, überliefert z.T. unter dem Titel: Historia rerum in
partibus transmarinis gestarum. Sie zerfällt in 23 Bücher
und umfaßt die Zeit von der Regierung des Kalifen Omar bis zum
Jahr 1184. Für die Jahre 1127 bis 1184 stellt das Werk die
Hauptquelle jeder späteren Schilderung dar, mit Buch XI fängt
die Geschichte des Königreichs Jerusalem an. Entstehung der
Chronik: Ende 1169 - 1184.
- Übersetzungen.
Deutsch: E. u. R. Kausler, Geschichte der Kreuzzüge und des
Königreiches Jerusalem aus dem Lateinischen des Erzbischofs
Wilhelm von Tyrus, Stuttgart 1840.